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Teil 6: Hauptverfahren (62-76)
Teil 7: Strafen (77-80)
Teil 8: Berufung und Wiederaufnahme (81-85)
Teil 9: Internationale Zusammenarbeit und Rechtshilfe (86-102)
Teil 10: Vollstreckung (103-111)
Teil 11: Versammlung der Vertragsstaaten (112))
Teil 12: Finanzierung (113-118)
Teil 13: Schlußbestimmungen (119-128)
Teil 4: Zusammensetzung und Verwaltung des Gerichtshofs Artikel 34: Organe des Gerichtshofs
Der Gerichtshof setzt sich aus folgenden Organen zusammen:
a) dem Präsidium;
b) einer Berufungsabteilung, einer Hauptverfahrensabteilung und einer Vorverfahrensabteilung;
c) der Anklagebehörde;
d) der Kanzlei.
(1) Alle Richter werden als hauptamtliche Mitglieder des Gerichtshofs gewählt und stehen mit Beginn ihrer Amtszeit auf dieser Grundlage zur Wahrnehmung ihres Amtes zur Verfügung.
(2) Die Richter, die das Präsidium bilden, nehmen ihr Amt hauptamtlich wahr, sobald sie gewählt worden sind.
(3) Das Präsidium kann von Zeit zu Zeit auf der Grundlage des Arbeitsanfalls des Gerichtshofs und im Benehmen mit seinen Mitgliedern entscheiden, inwieweit die übrigen Richter ihr Amt hauptamtlich wahrzunehmen haben. Eine solche Regelung erfolgt unbeschadet des Artikels 40.
(4) Die finanziellen Regelungen für Richter, die ihr Amt nicht hauptamtlich wahrzunehmen brauchen, werden nach Artikel 49 getroffen.
Artikel 36: Befähigung, Benennung und Wahl der Richter
(1) Vorbehaltlich des Absatzes 2 umfaßt der Gerichtshof 18 Richter.
(2)a) Das Präsidium kann im Namen des Gerichtshofs unter Angabe der Gründe, aus denen es dies als notwendig und angemessen erachtet, eine Erhöhung der in Absatz 1 genannten Anzahl der Richter vorschlagen. Der Kanzler leitet einen solchen Vorschlag umgehend allen Vertragsstaaten zu.
b) Jeder derartige Vorschlag wird sodann auf einer nach Artikel 112 einberufenen Sitzung der Versammlung der Vertragsstaaten geprüft. Der Vorschlag gilt als angenommen, wenn er auf der Sitzung mit zwei Dritteln der Stimmen der Mitglieder der Versammlung der Vertragsstaaten gebilligt wird; er tritt zu dem von der Versammlung der Vertragsstaaten beschlossenen Zeitpunkt in Kraft.
c) i) Wurde ein Vorschlag auf Erhöhung der Anzahl der Richter nach Buchstabe b angenommen, so findet die Wahl der zusätzlichen Richter nach den Absätzen 3 bis 8 sowie nach Artikel 37 Absatz 2 auf der darauffolgenden Sitzung der Versammlung der Vertragsstaaten statt. ii) Ist ein Vorschlag auf Erhöhung der Anzahl der Richter nach den Buchstaben b und c Ziffer i angenommen worden und wirksam geworden, so steht es dem Präsidium jederzeit danach frei, wenn der Arbeitsanfall des Gerichtshofs dies rechtfertigt, eine Senkung der Anzahl der Richter vorzuschlagen, mit der Maßgabe, daß diese die in Absatz 1 festgelegte Anzahl nicht unterschreitet. Der Vorschlag wird nach dem unter den Buchstaben a und b festgelegten Verfahren behandelt. Wird der Vorschlag angenommen, so wird die Anzahl der Richter mit dem Auslaufen der Amtszeiten der amtierenden Richter so lange schrittweise verringert, bis die notwendige Anzahl erreicht ist.
(3) a) Die Richter werden unter Personen von hohem sittlichem Ansehen ausgewählt, die sich durch Unparteilichkeit und Ehrenhaftigkeit auszeichnen und die in ihrem Staat die für die höchsten richterlichen Ämter erforderlichen Voraussetzungen erfüllen. b) Jeder Bewerber für die Wahl zum Gerichtshof muß
i) über nachweisliche Fachkenntnisse auf dem Gebiet des Strafrechts und des Strafverfahrensrechts sowie über die notwendige einschlägige Erfahrung als Richter, Ankläger, Anwalt oder in ähnlicher Eigenschaft bei Strafverfahren oder
ii) über nachweisliche Fachkenntnisse in einschlägigen Bereichen des Völkerrechts, wie etwa des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte, sowie über weitreichende Erfahrung in einem Rechtsberuf, der für die richterliche Arbeit des Gerichtshofs von Bedeutung ist, verfügen;
c) Jeder Bewerber für die Wahl zum Gerichtshof muß über ausgezeichnete Kenntnisse in mindestens einer der Arbeitssprachen des Gerichtshofs verfügen und diese fließend sprechen.
(4) a) Die Benennung der Bewerber für die Wahl zum Gerichtshof kann durch jeden Vertragsstaat dieses Statuts erfolgen, und zwar entweder i) nach dem Verfahren für die Benennung von Bewerbern für die höchsten richterlichen Ämter des jeweiligen Staates oder
ii) nach dem Verfahren, das in dem Statut des Internationalen Gerichtshofs für die Benennung von Bewerbern für jenen Gerichtshof vorgesehen ist.
Den Benennungen soll eine hinreichend ausführliche Erklärung beigefügt sein, aus der hervorgeht, inwiefern der Bewerber die Anforderungen in Absatz 3 erfüllt. b) Jeder Vertragsstaat kann für jede Wahl einen Bewerber aufstellen, der zwar nicht unbedingt Staatsangehöriger dieses Vertragsstaats, in jedem Fall jedoch Staatsangehöriger eines Vertragsstaats sein muß.
c) Die Versammlung der Vertragsstaaten kann beschließen, gegebenenfalls einen Beratenden Ausschuß für Benennungen einzusetzen. In diesem Fall bestimmt die Versammlung der Vertragsstaaten die Zusammensetzung und das Mandat des Ausschusses.
(5) Für die Zwecke der Wahl werden zwei Bewerberlisten aufgestellt:
Liste A enthält die Namen der Bewerber mit den in Absatz 3 Buchstabe b Ziffer i genannten Voraussetzungen, und
Liste B enthält die Namen der Bewerber mit den in Absatz 3 Buchstabe b Ziffer ii genannten Voraussetzungen.
Bewerber, die über hinreichende Voraussetzungen für beide Listen verfügen, können wählen, auf welche Liste sie gesetzt werden möchten. Bei der ersten Wahl zum Gerichtshof werden mindestens neun Richter aus der Liste A und mindestens fünf Richter aus der Liste B gewählt. Darauffolgende Wahlen sind so zu gestalten, daß das zahlenmäßige Verhältnis der Richter im Gerichtshof, welche die Voraussetzungen für die jeweilige Liste erfüllen, gewahrt bleibt.
(6) a) Die Richter werden in geheimer Abstimmung auf einer zu diesem Zweck nach Artikel 112 einberufenen Sitzung der Versammlung der Vertragsstaaten gewählt. Vorbehaltlich des Absatzes 7 werden die 18 Bewerber zum Gerichtshof gewählt, welche die höchste Stimmenzahl und die Zweidrittelmehrheit der anwesenden und abstimmenden Vertragsstaaten auf sich vereinen.
b) Wird im ersten Wahlgang nicht die ausreichende Anzahl der Richter gewählt, so finden so lange weitere Wahlgänge nach den Verfahren unter Buchstabe a statt, bis die verbleibenden Sitze besetzt sind.
(7) Von den Richtern darf nicht mehr als einer Angehöriger desselben Staates sein. Wer für die Zwecke der Mitgliedschaft im Gerichtshof als Angehöriger von mehr als einem Staat angesehen werden kann, gilt als Angehöriger des Staates, in dem er gewöhnlich seine bürgerlichen und politischen Rechte ausübt.
(8) a) Bei der Auswahl der Richter berücksichtigen die Vertragsstaaten die Notwendigkeit, in der Mitgliedschaft des Gerichtshofs
i) die Vertretung der hauptsächlichen Rechtssysteme der Welt, ii) eine ausgewogene geographische Vertretung und
iii) eine faire Vertretung weiblicher und männlicher Richter
zu gewährleisten.
b) Die Vertragsstaaten berücksichtigen außerdem die Notwendigkeit, Richter mit juristischen Fachkenntnissen auf bestimmten Gebieten einzubeziehen, namentlich, jedoch nicht ausschließlich, auf dem Gebiet der Gewalt gegen Frauen oder Kinder.
(9) a) Vorbehaltlich des Buchstabens b werden die Richter für die Dauer von neun Jahren gewählt; vorbehaltlich des Buchstabens c und des Artikels 37 Absatz 2 ist eine Wiederwahl nicht zulässig.
b) Bei der ersten Wahl wird durch das Los die Amtszeit eines Drittels der gewählten Richter auf drei Jahre und eines weiteren Drittels auf sechs Jahre festgelegt; die Amtszeit der übrigen Richter beträgt neun Jahre.
c) Ein Richter, dessen Amtszeit nach Buchstabe b auf drei Jahre festgelegt wurde, kann für eine volle Amtszeit wiedergewählt werden.
(10) Ungeachtet des Absatzes 9 bleibt ein Richter, der nach Artikel 39 einer Hauptverfahrens- oder Berufungskammer zugeteilt wurde, so lange im Amt, bis alle Haupt- oder Rechtsmittelverfahren abgeschlossen sind, deren Verhandlung vor dieser Kammer bereits begonnen hat.
Artikel 37: Freigewordene Sitze
(1) Wird ein Sitz frei, so findet zur Besetzung des freigewordenen Sitzes eine Wahl nach Artikel 36 statt.
(2) Ein Richter, der auf einen freigewordenen Sitz gewählt wird, beendet die Amtszeit seines Vorgängers; beträgt diese drei Jahre oder weniger, so ist seine Wiederwahl für eine volle Amtszeit nach Artikel 36 zulässig.
(1) Der Präsident sowie der Erste und der Zweite Vizepräsident werden mit der absoluten Mehrheit der Richter gewählt. Sie nehmen ihr Amt für die Dauer von drei Jahren beziehungsweise bis zum Ende ihrer jeweiligen Amtszeit als Richter wahr, sofern dieser Zeitpunkt früher liegt. Ihre einmalige Wiederwahl ist zulässig.
(2) Der Erste Vizepräsident tritt an die Stelle des Präsidenten, wenn dieser verhindert ist oder ausgeschlossen wurde. Der Zweite Vizepräsident tritt an die Stelle des Präsidenten, wenn sowohl der Präsident als auch der Erste Vizepräsident verhindert sind oder ausgeschlossen wurden.
(3) Der Präsident sowie der Erste und der Zweite Vizepräsident bilden das Präsidium, dem folgendes obliegt:
a) die ordnungsgemäße Verwaltung des Gerichtshofs mit Ausnahme der Anklagebehörde und
b) die sonstigen ihm aufgrund dieses Statuts übertragenen Aufgaben.
(4) Bei der Wahrnehmung seiner Verantwortung nach Absatz 3 Buchstabe a handelt das Präsidium in Abstimmung mit dem Ankläger und sucht in allen Angelegenheiten von gemeinsamem Belang um dessen Zustimmung nach.
(1) Nach der Wahl der Richter bildet der Gerichtshof so bald wie möglich die in Artikel 34 Buchstabe b genannten Abteilungen. Die Berufungsabteilung setzt sich aus dem Präsidenten und vier weiteren Richtern, die Hauptverfahrensabteilung aus mindestens sechs Richtern und die Vorverfahrensabteilung aus mindestens sechs Richtern zusammen. Die Zuteilung der Richter zu den Abteilungen richtet sich nach der Art der von jeder Abteilung wahrzunehmenden Aufgaben sowie der Befähigung und der Erfahrung der zum Gerichtshof gewählten Richter, so daß in jeder Abteilung eine angemessene Mischung von Fachwissen auf dem Gebiet des Strafrechts, des Strafverfahrensrechts und des Völkerrechts vorhanden ist. Die Hauptverfahrensabteilung und die Vorverfahrensabteilung sollen überwiegend aus Richtern bestehen, die Erfahrung auf dem Gebiet des Strafverfahrens besitzen.
(2) a) Die richterlichen Aufgaben des Gerichtshofs werden in jeder Abteilung von Kammern wahrgenommen.
b) i) Die Berufungskammer setzt sich aus allen Richtern der Berufungsabteilung zusammen;
ii) die Aufgaben der Hauptverfahrenskammer werden von drei Richtern der Hauptverfahrensabteilung wahrgenommen;
iii) die Aufgaben der Vorverfahrenskammer werden entweder von drei Richtern der Vorverfahrensabteilung oder im Einklang mit diesem Statut sowie der Verfahrens- und Beweisordnung von einem einzelnen Richter dieser Abteilung wahrgenommen;
c) dieser Absatzschließt die gleichzeitige Bildung von mehr als einer Hauptverfahrenskammer oder Vorverfahrenskammer nicht aus, wenn die wirksame Erledigung des Arbeitsanfalls des Gerichtshofs dies verlangt.
(3) a) Die der Hauptverfahrensabteilung und der Vorverfahrensabteilung zugeteilten Richter nehmen ihr Amt in diesen Abteilungen für die Dauer von drei Jahren wahr und danach so lange, bis jede Sache abgeschlossen ist, deren Verhandlung in der betreffenden Abteilung bereits begonnen hat.
b) Die der Berufungsabteilung zugeteilten Richter nehmen ihr Amt in dieser Abteilung für die gesamte Dauer ihrer Amtszeit wahr.
(4) Die der Berufungsabteilung zugeteilten Richter nehmen ihr Amt ausschließlich in dieser Abteilung wahr. Dieser Artikelschließt jedoch nicht die zeitweilige Abordnung von Richtern der Hauptverfahrensabteilung zu der Vorverfahrensabteilung oder umgekehrt aus, wenn das Präsidium dies im Interesse der wirksamen Erledigung des Arbeitsanfalls des Gerichtshofs für erforderlich hält; allerdings darf ein Richter, der an dem Vorverfahren in einer Sache mitgewirkt hat, unter keinen Umständen der Hauptverfahrenskammer angehören, die in dieser Sache verhandelt.
Artikel 40: Unabhängigkeit der Richter
(1) Die Richter sind bei der Erfüllung ihrer Aufgaben unabhängig.
(2) Die Richter üben keine Tätigkeit aus, die geeignet ist, sich auf ihre richterlichen Aufgaben auszuwirken oder das Vertrauen in ihre Unabhängigkeit zu beeinträchtigen.
(3) Die Richter, die ihr Amt hauptamtlich am Sitz des Gerichtshofs wahrzunehmen haben, dürfen sich keiner anderen Beschäftigung beruflicher Art widmen.
(4) Alle Fragen betreffend die Anwendung der Absätze 2 und 3 werden mit der absoluten Mehrheit der Richter entschieden. Betrifft eine solche Frage einen einzelnen Richter, so nimmt dieser an der Entscheidung nicht teil.
Artikel 41: Befreiung und Ausschließung von Richtern
(1) Das Präsidium kann einen Richter auf dessen Ersuchen im Einklang mit der Verfahrens- und Beweisordnung von der Wahrnehmung einer Aufgabe nach diesem Statut befreien.
(2) a) Ein Richter nimmt an einer Sache nicht teil, wenn ein Grund vorliegt, aus dem berechtigte Zweifel an seiner Unparteilichkeit geltend gemacht werden könnten. Ein Richter wird nach diesem Absatz unter anderem dann von einer Sache ausgeschlossen, wenn er zuvor in irgendeiner Eigenschaft an dieser beim Gerichtshof anhängigen Sache oder einer damit zusammenhängenden Strafsache auf einzelstaatlicher Ebene beteiligt war, welche die Person betraf, gegen die sich die Ermittlungen oder die Strafverfolgung richten. Ein Richter wird auch aus anderen Gründen ausgeschlossen, sofern diese in der Verfahrens- und Beweisordnung vorgesehen sind.
b) Der Ankläger oder die Person, gegen die sich die Ermittlungen oder die Strafverfolgung richten, können nach diesem Absatzdie Ausschließung eines Richters beantragen.
c) Jede Frage betreffend die Ausschließung eines Richters wird mit der absoluten Mehrheit der Richter entschieden. Der Richter, dessen Ausschließung beantragt wird, hat Anspruch darauf, zu der Angelegenheit Stellung zu nehmen, nimmt jedoch an der Entscheidung nicht teil.
(1) Die Anklagebehörde handelt unabhängig als selbständiges Organ des Gerichtshofs. Ihr obliegt es, Verweisungen und substantiierte Informationen über der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegende Verbrechen entgegenzunehmen und zu prüfen sowie die Ermittlungen durchzuführen und vor dem Gerichtshof die Anklage zu vertreten. Ein Mitglied der Anklagebehörde darf Weisungen von einer Stelle außerhalb des Gerichtshofs weder einholen noch befolgen.
(2) Der Ankläger ist Leiter der Anklagebehörde. Er besitzt die volle Dienstaufsicht über Führung und Verwaltung der Behörde einschließlich ihres Personals, ihrer Einrichtungen und sonstigen Mittel. Dem Ankläger stehen ein oder mehrere Stellvertretende Ankläger zur Seite, die zur Ausführung aller Handlungen befugt sind, die nach diesem Statut dem Ankläger obliegen. Der Ankläger und die Stellvertretenden Ankläger müssen Angehörige verschiedener Staaten sein. Sie nehmen ihr Amt hauptamtlich wahr.
(3) Der Ankläger und die Stellvertretenden Ankläger müssen ein hohes sittliches Ansehen genießen sowie ein Höchstmaß an Sachverstand und umfangreiche praktische Erfahrung in der Strafverfolgung oder der Verhandlung von Strafsachen besitzen. Sie müssen über ausgezeichnete Kenntnisse in mindestens einer der Arbeitssprachen des Gerichtshofs verfügen und diese fließend sprechen.
(4) Der Ankläger wird in geheimer Abstimmung von der absoluten Mehrheit der Mitglieder der Versammlung der Vertragsstaaten gewählt. Die Stellvertretenden Ankläger werden in derselben Weise aus einer von dem Ankläger vorgelegten Bewerberliste gewählt. Der Ankläger benennt drei Bewerber für jede zu besetzende Stelle eines Stellvertretenden Anklägers. Sofern nicht zum Zeitpunkt ihrer Wahl eine kürzere Amtszeit beschlossen wird, werden der Ankläger und die Stellvertretenden Ankläger für die Dauer von neun Jahren gewählt; Wiederwahl ist nicht zulässig.
(5) Weder der Ankläger noch die Stellvertretenden Ankläger üben eine Tätigkeit aus, die geeignet ist, sich auf ihre Aufgaben bei der Strafverfolgung voll auszuwirken oder das Vertrauen in ihre Unabhängigkeit zu beeinträchtigen. Sie dürfen sich keiner anderen Beschäftigung beruflicher Art widmen.
(6) Das Präsidium kann den Ankläger oder einen Stellvertretenden Ankläger auf dessen Ersuchen von einem Tätigwerden in einer bestimmten Sache befreien.
(7) Der Ankläger oder ein Stellvertretender Ankläger nimmt an einer Angelegenheit nicht teil, wenn ein Grund vorliegt, aus dem berechtigte Zweifel an seiner Unparteilichkeit geltend gemacht werden könnten. Er wird nach diesem Absatzunter anderem dann von einer Sache ausgeschlossen, wenn er zuvor in irgendeiner Eigenschaft an dieser beim Gerichtshof anhängigen Sache oder einer damit zusammenhängenden Strafsache auf einzelstaatlicher Ebene beteiligt war, welche die Person betraf, gegen die sich die Ermittlungen oder die Strafverfolgung richten.
(8) Jede Frage betreffend die Ausschließung des Anklägers oder eines Stellvertretenden Anklägers wird von der Berufungskammer entschieden.
a) Die Person, gegen die sich die Ermittlungen oder die Strafverfolgung richten, kann jederzeit die Ausschließung des Anklägers oder eines Stellvertretenden Anklägers aus den in diesem Artikel festgelegten Gründen beantragen.
b) Der Ankläger beziehungsweise der Stellvertretende Ankläger hat Anspruch darauf, zu der Angelegenheit Stellung zu nehmen.
(9) Der Ankläger ernennt Berater mit juristischen Fachkenntnissen auf bestimmten Gebieten, namentlich, jedoch nicht ausschließlich, auf dem Gebiet der sexuellen und geschlechtsspezifischen Gewalt sowie der Gewalt gegen Kinder.
(1) Der Kanzlei obliegen die nicht mit der Rechtsprechung zusammenhängenden Aspekte der Verwaltung und der Betreuung des Gerichtshofs, unbeschadet der Aufgaben und Vollmachten des Anklägers nach Artikel 42.
(2) Der Kanzler ist Leiter der Kanzlei und höchster Verwaltungsbeamter des Gerichtshofs. Er nimmt seine Aufgaben unter der Aufsicht des Präsidenten des Gerichtshofs wahr.
(3) Der Kanzler und der Stellvertretende Kanzler müssen ein hohes sittliches Ansehen genießen sowie ein Höchstmaß an Sachverstand und ausgezeichnete Kenntnisse in mindestens einer der Arbeitssprachen des Gerichtshofs besitzen und diese fließend sprechen.
(4) Die Richter wählen den Kanzler in geheimer Abstimmung mit der absoluten Mehrheit der Stimmen unter Berücksichtigung etwaiger Empfehlungen der Versammlung der Vertragsstaaten. Bei Bedarf wählen die Richter auf Empfehlung des Kanzlers in derselben Weise einen Stellvertretenden Kanzler.
(5) Der Kanzler wird für die Dauer von fünf Jahren gewählt; seine einmalige Wiederwahl ist zulässig; er übt sein Amt hauptamtlich aus. Der Stellvertretende Kanzler wird für die Dauer von fünf Jahren oder eine von der absoluten Mehrheit der Richter beschlossene kürzere Zeit gewählt; er kann auch auf der Grundlage gewählt werden, daß er sein Amt nach Bedarf ausübt.
(6) Der Kanzler richtet innerhalb der Kanzlei eine Abteilung für Opfer und Zeugen ein. Diese Abteilung stellt im Benehmen mit der Anklagebehörde Schutzmaßnahmen, Sicherheitsvorkehrungen, Beratung und andere angemessene Hilfe für Zeugen, für die vor dem Gerichtshof erscheinenden Opfer und andere durch die Aussagen dieser Zeugen gefährdete Personen zur Verfügung. Die Abteilung umfaßt auch Bedienstete mit Fachkenntnissen auf dem Gebiet des Traumas, so auch des Traumas im Zusammenhang mit sexuellen Gewaltverbrechen.
(1) Der Ankläger und der Kanzler ernennen für ihr jeweiliges Büro das notwendige fachlich befähigte Personal. Im Fall des Anklägers schließt dies die Ernennung von Ermittlern ein.
(2) Bei der Einstellung der Bediensteten gewährleisten der Ankläger und der Kanzler ein Höchstmaß an Leistungsfähigkeit, fachlichem Können und Ehrenhaftigkeit und berücksichtigen sinngemäß die in Artikel 36 Absatz 8 enthaltenen Kriterien.
(3) Der Kanzler schlägt mit Zustimmung des Präsidiums und des Anklägers ein Personalstatut vor, das die Bedingungen für die Ernennung, Besoldung und Entlassung des Personals des Gerichtshofs enthält. Das Personalstatut muß von der Versammlung der Vertragsstaaten genehmigt werden.
(4) In Ausnahmefällen kann der Gerichtshof die Fachkenntnisse von Personal heranziehen, das ihm von Vertragsstaaten, von zwischenstaatlichen oder nichtstaatlichen Organisationen unentgeltlich angeboten wird, um ein Organ des Gerichtshofs bei seiner Arbeit zu unterstützen. Der Ankläger kann ein solches Angebot im Namen der Anklagebehörde annehmen. Dieses Personal wird im Einklang mit Richtlinien beschäftigt, die von der Versammlung der Vertragsstaaten aufzustellen sind.
Artikel 45: Feierliches Versprechen
Vor Antritt ihres Amtes aufgrund dieses Statuts geben die Richter, der Ankläger, die Stellvertretenden Ankläger, der Kanzler und der Stellvertretende Kanzler in öffentlicher Sitzung das feierliche Versprechen ab, ihre Aufgaben unparteiisch und gewissenhaft wahrzunehmen.
(1) Ein Richter, der Ankläger, ein Stellvertretender Ankläger, der Kanzler oder der Stellvertretende Kanzler wird kraft eines entsprechenden Beschlusses nach Absatz 2 seines Amtes enthoben, wenn er
a) nachweislich eine schwere Verfehlung oder eine schwere Verletzung seiner Amtspflichten aufgrund dieses Statuts, wie in der Verfahrens- und Beweisordnung festgelegt, begangen hat oder
b) zur Wahrnehmung der ihm aufgrund dieses Statuts obliegenden Aufgaben unfähig ist.
(2) Der Beschluß auf Amtsenthebung eines Richters, des Anklägers oder eines Stellvertretenden Anklägers nach Absatz 1 ergeht von der Versammlung der Vertragsstaaten in geheimer Abstimmung
a) im Fall eines Richters mit Zweidrittelmehrheit der Stimmen der Vertragsstaaten aufgrund einer von den übrigen Richtern mit Zweidrittelmehrheit beschlossenen Empfehlung;
b) im Fall des Anklägers mit der absoluten Mehrheit der Vertragsstaaten;
c) im Fall eines Stellvertretenden Anklägers mit der absoluten Mehrheit der Vertragsstaaten auf Empfehlung des Anklägers.
(3) Der Beschluß auf Amtsenthebung des Kanzlers oder des Stellvertretenden Kanzlers wird von der absoluten Mehrheit der Richter gefaßt.
(4) Ein Richter, Ankläger, Stellvertretender Ankläger, Kanzler oder Stellvertretender Kanzler, dessen Verhalten oder Fähigkeit zur Wahrnehmung der mit diesem Statut vorgeschriebenen dienstlichen Aufgaben nach diesem Artikelin Frage gestellt wird, erhält uneingeschränkt Gelegenheit, im Einklang mit der Verfahrens- und Beweisordnung Beweise vorzulegen und entgegenzunehmen und Anträge einzureichen. An der Prüfung der Angelegenheit darf er sonst nicht teilnehmen.
Artikel 47: Disziplinarmaßnahmen
Gegen einen Richter, Ankläger, Stellvertretenden Ankläger, Kanzler oder Stellvertretenden Kanzler, der eine weniger schwere Verfehlung als die in Artikel 46 Absatz 1 genannte begangen hat, werden nach Maßgabe der Verfahrens- und Beweisordnung Disziplinarmaßnahmen ergriffen.
Artikel 48: Vorrechte und Immunitäten
(1) Der Gerichtshof genießt im Hoheitsgebiet jedes Vertragsstaats die für die Erfüllung seiner Ziele notwendigen Vorrechte und Immunitäten.
(2) Die Richter, der Ankläger, die Stellvertretenden Ankläger und der Kanzler genießen bei der Wahrnehmung der Geschäfte des Gerichtshofs oder in bezug auf diese die gleichen Vorrechte und Immunitäten wie Leiter diplomatischer Vertretungen; nach Ablauf ihrer Amtszeit wird ihnen auch weiterhin Immunität von der Gerichtsbarkeit in bezug auf ihre in amtlicher Eigenschaft gemachten mündlichen oder schriftlichen Äußerungen und vorgenommenen Handlungen gewährt.
(3) Der Stellvertretende Kanzler, das Personal der Anklagebehörde und das Personal der Kanzlei genießen im Einklang mit dem Übereinkommen über die Vorrechte und Immunitäten des Gerichtshofs die für die Erfüllung ihrer Aufgaben notwendigen Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen.
(4) Beratern, Sachverständigen, Zeugen und allen anderen Personen, deren Anwesenheit am Sitz des Gerichtshofs erforderlich ist, wird im Einklang mit dem Übereinkommen über die Vorrechte und Immunitäten des Gerichtshofs die Behandlung gewährt, die für die ordnungsgemäße Arbeit des Gerichtshofs erforderlich ist.
(5) Die Vorrechte und Immunitäten
a) eines Richters oder des Anklägers können von den Richtern mit absoluter Mehrheit aufgehoben werden;
b) des Kanzlers können vom Präsidium aufgehoben werden;
c) der Stellvertretenden Ankläger und des Personals der Anklagebehörde können vom Ankläger aufgehoben werden;
d) des Stellvertretenden Kanzlers und des Personals der Kanzlei können vom Kanzler aufgehoben werden.
Artikel 49: Gehälter, Zulagen und Aufwandsentschädigung
Die Richter, der Ankläger, die Stellvertretenden Ankläger, der Kanzler und der Stellvertretende Kanzler erhalten die von der Versammlung der Vertragsstaaten beschlossenen Gehälter, Zulagen und Aufwandsentschädigungen. Diese Gehälter und Zulagen werden während ihrer Amtszeit nicht herabgesetzt.
Artikel 50: Amts- und Arbeitssprachen
(1) Die Amtssprachen des Gerichtshofs sind Arabisch, Chinesisch, Englisch, Französisch, Russisch und Spanisch. Die Urteile des Gerichtshofs sowie sonstige Entscheidungen zur Regelung bei dem Gerichtshof anhängiger grundlegender Fragen werden in den Amtssprachen veröffentlicht. Das Präsidium entscheidet im Einklang mit den durch die Verfahrens- und Beweisordnung festgelegten Kriterien, welche Entscheidungen für die Zwecke dieses Absatzes als Entscheidungen zur Regelung grundlegender Fragen angesehen werden können.
(2) Die Arbeitssprachen des Gerichtshofs sind Englisch und Französisch. Die Verfahrens- und Beweisordnung bestimmt die Fälle, in denen andere Amtssprachen als Arbeitssprachen benutzt werden können.
(3) Auf Ersuchen einer Partei eines Verfahrens oder eines zur Teilnahme an einem Verfahren zugelassenen Staates gestattet der Gerichtshof die Benutzung einer anderen Sprache als der englischen oder französischen, sofern er dies als ausreichend gerechtfertigt erachtet.
Artikel 51: Verfahrens- und Beweisordnung
(1) Die Verfahrens- und Beweisordnung tritt nach ihrer Annahme durch die Zweidrittelmehrheit der Mitglieder der Versammlung der Vertragsstaaten in Kraft.
(2) Änderungen der Verfahrens- und Beweisordnung können
a) von jedem Vertragsstaat,
b) von den Richtern mit absoluter Stimmenmehrheit oder
c) vom Ankläger
vorgeschlagen werden. Die Änderungen treten nach ihrer Annahme durch die Zweidrittelmehrheit der Mitglieder der Versammlung der Vertragsstaaten in Kraft.
(3) Nach Annahme der Verfahrens- und Beweisordnung können die Richter in dringenden Fällen, wenn eine bestimmte beim Gerichtshof anhängige Situation durch die Verfahrens- und Beweisordnung nicht erfaßt ist, mit Zweidrittelmehrheit vorläufige Regeln aufstellen, die bis zu ihrer Annahme, Änderung oder Ablehnung auf der nächsten ordentlichen Tagung oder Sondertagung der Versammlung der Vertragsstaaten Anwendung finden.
(4) Die Verfahrens- und Beweisordnung, ihre Änderungen und jede vorläufige Regel müssen mit diesem Statut vereinbar sein. Änderungen der Verfahrens- und Beweisordnung sowie vorläufige Regeln werden nicht rückwirkend zum Nachteil der Person angewandt, gegen die sich die Ermittlungen, die Strafverfolgung oder das Urteil richten.
(5) Im Fall eines Widerspruchs zwischen dem Statut und der Verfahrens- und Beweisordnung hat das Statut Vorrang.
Artikel 52: Geschäftsordnung des Gerichts
(1) Die Richter nehmen im Einklang mit diesem Statut sowie der Verfahrens- und Beweisordnung die für den normalen Geschäftsgang des Gerichtshofs notwendige Geschäftsordnung des Gerichtshofs mit absoluter Mehrheit an.
(2) Der Ankläger und der Kanzler sind bei der Ausarbeitung der Geschäftsordnung und aller etwaigen Änderungen zu konsultieren.
(3) Sofern die Richter nichts anderes beschließen, treten die Geschäftsordnung und alle etwaigen Änderungen mit ihrer Annahme in Kraft. Unmittelbar nach ihrer Annahme werden sie den Vertragsstaaten zur Stellungnahme zugeleitet. Liegen binnen sechs Monaten keine Einwände seitens der Mehrheit der Vertragsstaaten vor, so bleiben sie in Kraft.
Teil 5: Ermittlungen und Strafverfolgung
Artikel 53: Einleitung von Ermittlungen
(1) Nach Auswertung der ihm zur Verfügung gestellten Informationen leitet der Ankläger Ermittlungen ein, sofern er nicht feststellt, daß es für die Verfahrensaufnahme nach diesem Statut keine hinreichende Grundlage gibt. Bei seiner Entscheidung über die Einleitung von Ermittlungen prüft der Ankläger,
a) ob die ihm vorliegenden Informationen hinreichende Verdachtsgründe dafür bieten, daß ein der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegendes Verbrechen begangen wurde oder wird,
b) ob die Sache nach Artikel 17 zulässig ist oder wäre und
c) ob nach Berücksichtigung der Schwere des Verbrechens und der Interessen der Opfer dennoch dringende Gründe für die Annahme vorliegen, daß die Durchführung von Ermittlungen nicht im Interesse der Gerechtigkeit liegen würde.
Stellt der Ankläger fest, daß es für die Verfahrensaufnahme keine hinreichende Grundlage gibt, und beruht diese Feststellung ausschließlich auf Buchstabe c, so unterrichtet er die Vorverfahrenskammer.
(2) Gelangt der Ankläger nach den Ermittlungen zu dem Schluß, daß es für eine Strafverfolgung keine hinreichende Grundlage gibt, weil
a) keine hinreichende rechtliche oder sachliche Grundlage für die Beantragung eines Haftbefehls oder einer Ladung nach Artikel 58 besteht,
b) die Sache nach Artikel 17 unzulässig ist oder
c) eine Strafverfolgung nach Berücksichtigung aller Umstände, einschließlich der Schwere des Verbrechens, der Interessen der Opfer, des Alters oder der Gebrechlichkeit des mutmaßlichen Täters sowie seiner Rolle bei dem mutmaßlichen Verbrechen, nicht im Interesse der Gerechtigkeit liegt,
so unterrichtet der Ankläger die Vorverfahrenskammer und den nach Artikel 14 verweisenden Staat oder den Sicherheitsrat bei auf Artikel 13 Buchstabe b beruhenden Sachen von seinem Schluß und den Gründen dafür.
(3) a) Auf Ersuchen des nach Artikel 14 verweisenden Staates oder des Sicherheitsrats bei auf Artikel 13 Buchstabe b beruhenden Sachen kann die Vorverfahrenskammer eine Entscheidung des Anklägers nach Absatz 1 oder 2, das Verfahren einzustellen, nachprüfen und den Ankläger ersuchen, sie zu überprüfen.
b) Darüber hinaus kann die Vorverfahrenskammer von sich aus eine Entscheidung des Anklägers zur Verfahrenseinstellung nachprüfen, wenn diese ausschließlich auf Absatz 1 Buchstabe c oder Absatz 2 Buchstabe c beruht. In diesem Fall wird die Entscheidung des Anklägers nur dann wirksam, wenn sie von der Vorverfahrenskammer bestätigt wird.
(4) Der Ankläger kann eine Entscheidung über die Einleitung der Ermittlungen oder der Strafverfolgung auf der Grundlage neuer Tatsachen oder Informationen jederzeit überprüfen.
Artikel 54: Pflichten und Befugnisse des Anklägers bei Ermittlungen
(1) Der Ankläger
a) dehnt die Ermittlungen zum Zweck der Wahrheitsfindung auf alle Tatsachen und Beweismittel aus, die zur Bewertung dessen erheblich sind, ob eine strafrechtliche Verantwortlichkeit aufgrund dieses Statuts besteht, und erforscht dabei gleichermaßen die belastenden wie die entlastenden Umstände,
b) ergreift geeignete Maßnahmen, um die wirksame Untersuchung und Strafverfolgung von der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegenden Verbrechen zu gewährleisten, unter Achtung der Interessen und persönlichen Lebensumstände der Opfer und Zeugen, namentlich Alter, Geschlecht im Sinne des Artikels 7 Absatz 3 und Gesundheitszustand, und unter Berücksichtigung der Art des Verbrechens, insbesondere soweit es mit sexueller Gewalt, geschlechtsspezifischer Gewalt oder Gewalt gegen Kinder verbunden ist, und
c) achtet uneingeschränkt die sich aus diesem Statut ergebenden Rechte der Personen.
(2) Der Ankläger kann Ermittlungen im Hoheitsgebiet eines Staates durchführen
a) nach Maßgabe des Teiles 9 oder b) aufgrund einer Ermächtigung der Vorverfahrenskammer nach Artikel 57 Absatz 3 Buchstabe d.
(3) Der Ankläger kann
a) Beweismittel sammeln und prüfen,
b) die Anwesenheit von Personen, gegen die ermittelt wird, von Opfern und von Zeugen verlangen und diese vernehmen,
c) einen Staat oder eine zwischenstaatliche Organisation oder Stelle entsprechend ihrer jeweiligen Zuständigkeit beziehungsweise ihrem Mandat um Zusammenarbeit ersuchen,
d) alle diesem Statut nicht entgegenstehenden Abmachungen und Übereinkünfte eingehen, die notwendig sind, um einem Staat, einer zwischenstaatlichen Organisation oder einer Person die Zusammenarbeit zu erleichtern,
e) einwilligen, in keiner Phase des Verfahrens Dokumente oder Informationen offenzulegen, die er unter der Bedingung der Vertraulichkeit und allein zum Zweck der Erlangung neuer Beweismittel erhält, sofern nicht der Informant sein Einverständnis erklärt, und
f) die notwendigen Maßnahmen zur Gewährleistung der Vertraulichkeit von Informationen, des Schutzes einer Person oder der Beweissicherung treffen oder verlangen, daß die Maßnahmen getroffen werden.
Artikel 55: Rechte der Personen während der Ermittlungen
(1) Bei Ermittlungen aufgrund dieses Statuts
a) darf eine Person nicht gezwungen werden, sich selbst zu bezichtigen oder sich schuldig zu bekennen;
b) darf eine Person nicht Zwang, Nötigung oder Drohung, Folter oder einer anderen Form grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterzogen werden;
c) werden einer Person, deren Vernehmung in einer Sprache erfolgt, die sie nicht voll versteht und spricht, unentgeltlich ein sachkundiger Dolmetscher und die Übersetzungen zur Verfügung gestellt, die erforderlich sind, um dem Gebot der Fairneß Genüge zu tun;
d) darf eine Person nicht willkürlich festgenommen oder in Haft gehalten werden und darf einer Person nur dann die Freiheit entzogen werden, wenn dies nach dem Statut begründet ist und im Einklang mit den in diesem Statut festgelegten Verfahren geschieht.
(2) Bestehen Verdachtsgründe, daß eine Person ein der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegendes Verbrechen begangen hat, und steht ihre Vernehmung entweder durch den Ankläger oder durch einzelstaatliche Behörden entsprechend einem Ersuchen nach Teil 9 unmittelbar bevor, so hat sie außerdem folgende Rechte, über die sie vor der Vernehmung zu belehren ist:
a) das Recht, vor der Vernehmung darüber belehrt zu werden, daß Verdachtsgründe bestehen, wonach sie ein der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegendes Verbrechen begangen hat;
b) das Recht, zu schweigen, ohne daß dieses Schweigen bei der Feststellung von Schuld oder Unschuld in Betracht gezogen wird;
c) das Recht, sich durch einen Verteidiger ihrer Wahl verteidigen zu lassen oder, falls sie keinen Verteidiger hat, auf Beiordnung eines Verteidigers, wenn dies im Interesse der Gerechtigkeit erforderlich ist; fehlen ihr die Mittel zur Bezahlung eines Verteidigers, so ist für sie ein Verteidiger unentgeltlich beizuordnen;
d) das Recht, in Anwesenheit eines Rechtsbeistands vernommen zu werden, sofern sie nicht freiwillig auf ihr Recht auf Rechtsbeistand verzichtet hat.
Artikel 56: Rolle der Vorverfahrenskammer bei einer einmaligen
Gelegenheit zu Ermittlungsmaßnahmen(1) a) Ist der Ankläger der Auffassung, daß Ermittlungen eine einmalige Gelegenheit bieten, mündliche oder schriftliche Zeugenaussagen zu erhalten oder Beweismittel zu prüfen, zu sammeln oder auf ihre Beweiskraft zu untersuchen, die für die Zwecke einer Verhandlung später möglicherweise nicht mehr verfügbar sein werden, so unterrichtet er die Vorverfahrenskammer dahin gehend.
b) In diesem Fall kann die Vorverfahrenskammer auf Antrag des Anklägers die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um die Wirksamkeit und Ordnungsmäßigkeit des Verfahrens zu gewährleisten und insbesondere die Rechte der Verteidigung zu wahren.
c) Sofern die Vorverfahrenskammer nichts anderes anordnet, stellt der Ankläger dem Festgenommenen oder dem nach Ladung im Zusammenhang mit den unter Buchstabe a genannten Ermittlungen Erschienenen die sachdienlichen Informationen zur Verfügung, damit er in der Angelegenheit gehört werden kann.
(2) Zu den in Absatz 1 Buchstabe b genannten Maßnahmen können gehören:
a) die Abgabe von Empfehlungen oder Anordnungen betreffend die anzuwendenden Verfahren;
b) die Verfügung, ein Verfahrensprotokoll zu führen;
c) die Bestellung eines Sachverständigen zur Unterstützung;
d) die Ermächtigung des Rechtsbeistands eines Festgenommenen oder eines nach Ladung vor dem Gerichtshof Erschienenen zur Teilnahme, oder, falls eine Festnahme noch nicht erfolgt ist, die Person noch nicht erschienen ist oder kein Rechtsbeistand benannt wurde, Bestellung eines anderen Rechtsbeistands, der die Interessen der Verteidigung wahrnimmt und vertritt;
e) die Benennung eines ihrer Mitglieder oder erforderlichenfalls eines anderen verfügbaren Richters der Vorverfahrensabteilung oder der Hauptverfahrensabteilung, der hinsichtlich der Sammlung und Sicherung von Beweismitteln und der Vernehmung von Personen als Beobachter tätig wird und Empfehlungen abgibt oder Anordnungen erläßt;
f) das Ergreifen etwaiger anderer zur Sammlung oder Sicherung von Beweismitteln erforderlicher Maßnahmen.
(3) a) Hat der Ankläger keine Maßnahmen nach diesem Artikelbeantragt, ist die Vorverfahrenskammer jedoch der Auffassung, daß es solcher Maßnahmen bedarf, um Beweismittel zu sichern, die sie für die Verteidigung im Hauptverfahren als wesentlich erachtet, so konsultiert sie den Ankläger bezüglich der Frage, ob er diese Maßnahmen aus gutem Grund nicht beantragt hat. Gelangt die Vorverfahrenskammer aufgrund der Konsultation zu dem Schluß, daß die Nichtbeantragung dieser Maßnahmen durch den Ankläger nicht gerechtfertigt ist, so kann die Vorverfahrenskammer diese Maßnahmen von sich aus ergreifen.
b) Der Ankläger kann gegen die Entscheidung der Vorverfahrenskammer, nach diesem Absatz von sich aus tätig zu werden, Beschwerde einlegen. Über die Beschwerde wird beschleunigt verhandelt.
(4) Die Zulässigkeit der nach diesem Artikelfür das Hauptverfahren gesicherten oder gesammelten Beweismittel oder deren Protokoll wird im Hauptverfahren durch Artikel 69 geregelt; die Beweiswürdigung erfolgt durch die Hauptverfahrenskammer.
Artikel 57: Aufgaben und Befugnisse der Vorverfahrenskammer
(1) Sofern in diesem Statut nichts anderes bestimmt ist, nimmt die Vorverfahrenskammer ihre Aufgaben im Einklang mit diesem Artikel wahr.
(2) a) Von der Vorverfahrenskammer erlassene Anordnungen oder Entscheidungen nach den Artikeln15, 18, 19, 54 Absatz 2, 61 Absatz 7 und 72 bedürfen der Zustimmung der Mehrheit ihrer Richter.
b) In allen anderen Fällen kann ein einzelner Richter der Vorverfahrenskammer die in diesem Statut vorgesehenen Aufgaben wahrnehmen, sofern in der Verfahrens- und Beweisordnung oder durch Stimmenmehrheit der Vorverfahrenskammer nichts anderes bestimmt wird.
(3) Neben ihren anderen Aufgaben aufgrund dieses Statuts kann die Vorverfahrenskammer
a) auf Antrag des Anklägers die für die Zwecke der Ermittlungen erforderlichen Anordnungen und Befehle erlassen;
b) auf Antrag eines Festgenommenen oder eines aufgrund einer Ladung nach Artikel 58 Erschienenen die notwendigen Anordnungen erlassen, einschließlich der in Artikel 56 beschriebenen Maßnahmen, und sich um die notwendige Zusammenarbeit nach Teil 9 bemühen, um dem Betreffenden bei der Vorbereitung seiner Verteidigung behilflich zu sein;
c) erforderlichenfalls für den Schutz von Opfern und Zeugen und die Wahrung ihrer Privatsphäre, die Sicherung von Beweismitteln, den Schutz der Festgenommenen oder aufgrund einer Ladung Erschienenen sowie den Schutz von Informationen, welche die nationale Sicherheit berühren, Sorge tragen;
d) den Ankläger ermächtigen, bestimmte Ermittlungsmaßnahmen im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats vorzunehmen, ohne sich der Zusammenarbeit dieses Staates nach Teil 9 versichert zu haben, wenn die Vorverfahrenskammer, nach Möglichkeit unter Berücksichtigung der Auffassungen des betreffenden Staates, in dieser Sache entschieden hat, daß der Staat eindeutig unfähig ist, ein Ersuchen um Zusammenarbeit nach Teil 9 zu erledigen, weil keine zuständige Behörde beziehungsweise kein zuständiger Teil seines Justizsystems für die Erledigung eines solchen Ersuchens zur Verfügung steht;
e) wenn nach Artikel 58 ein Haftbefehl oder eine Ladung ergangen ist und unter gebührender Berücksichtigung der Beweiskraft der Beweismittel und der Rechte der betroffenen Parteien, wie in diesem Statut und der Verfahrens- und Beweisordnung vorgesehen, die Staaten nach Artikel 93 Absatz 1 Buchstabe j um ihre Zusammenarbeit im Hinblick auf vorsorgliche Maßnahmen für die Zwecke des Verfalls ersuchen, insbesondere zum letztendlichen Nutzen der Opfer.
Artikel 58: Erlaß eines Haftbefehls oder einer Ladung durch die Vorverfahrenskammer
(1) Jederzeit nach Einleitung der Ermittlungen erläßt die Vorverfahrenskammer auf Antrag des Anklägers einen Haftbefehl gegen eine Person, wenn sie nach Prüfung des Antrags und der Beweismittel oder anderer vom Ankläger beigebrachter Informationen zu der Überzeugung gelangt ist,
a) daß begründeter Verdacht besteht, daß die Person ein der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegendes Verbrechen begangen hat, und
b) daß die Festnahme der Person notwendig erscheint,
i) um sicherzustellen, daß sie zur Verhandlung erscheint,
ii) um sicherzustellen, daß sie die Ermittlungen oder das Gerichtsverfahren nicht behindert oder gefährdet, oder
iii) um sie gegebenenfalls an der weiteren Begehung dieses Verbrechens oder eines damit zusammenhängenden, der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegenden Verbrechens zu hindern, das sich aus den gleichen Umständen ergibt.
(2) Der Antrag des Anklägers enthält
a) den Namen der Person und alle anderen sachdienlichen Angaben zu ihrer Identifizierung,
b) eine konkrete Bezugnahme auf die der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegenden Verbrechen, welche die Person mutmaßlich begangen hat,
c) eine knappe Darstellung der Sachverhalte, die mutmaßlich die Tatbestandsmerkmale dieser Verbrechen erfüllen,
d) eine Zusammenfassung der Beweismittel sowie aller anderen Informationen, die den Verdacht begründen, daß die Person diese Verbrechen begangen hat, und
e) den Grund, aus dem der Ankläger die Festnahme der Person für notwendig hält.
(3) Der Haftbefehl enthält
a) den Namen der Person und alle anderen sachdienlichen Angaben zu ihrer Identifizierung,
b) eine konkrete Bezugnahme auf die der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegenden Verbrechen, derentwegen die Festnahme der Person beantragt wird, und
c) eine knappe Darstellung der Sachverhalte, die mutmaßlich die Tatbestandsmerkmale dieser Verbrechen erfüllen.
(4) Der Haftbefehl bleibt bis zu einer anderslautenden Anordnung des Gerichtshofs in Kraft.
(5) Auf der Grundlage des Haftbefehls kann der Gerichtshof um die vorläufige Festnahme oder die Festnahme und Überstellung der Person nach Teil 9 ersuchen.
(6) Der Ankläger kann bei der Vorverfahrenskammer die Änderung des Haftbefehls durch Änderung der darin aufgeführten Verbrechen oder Aufnahme zusätzlicher Verbrechen beantragen. Die Vorverfahrenskammer ändert den Haftbefehl entsprechend, wenn ihrer Überzeugung nach begründeter Verdacht besteht, daß die Person die anderen oder zusätzlichen Verbrechen begangen hat.
(7) Anstelle eines Haftbefehls kann der Ankläger beantragen, daß die Vorverfahrenskammer eine Ladung an die Person ergehen läßt. Besteht nach Überzeugung der Vorverfahrenskammer begründeter Verdacht, daß die Person das ihr zur Last gelegte Verbrechen begangen hat und daß eine Ladung ausreicht, um ihr Erscheinen vor dem Gerichtshof sicherzustellen, so läßt sie die Ladung ergehen, mit der freiheitsbeschränkende Bedingungen (außer Freiheitsentzug) verknüpft sein können, wenn das einzelstaatliche Recht dies vorsieht. Die Ladung enthält
a) den Namen der Person und alle anderen sachdienlichen Angaben zu ihrer Identifizierung,
b) den Termin, an dem die Person zu erscheinen hat,
c) eine konkrete Bezugnahme auf die der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegenden Verbrechen, welche die Person mutmaßlich begangen hat, und
d) eine knappe Darstellung der Sachverhalte, die mutmaßlich die Tatbestandsmerkmale des Verbrechens erfüllen.
Die Ladung ist der Person zuzustellen.
Artikel 59: Festnahmeverfahren im Gewahrsamsstaat
(1) Ein Vertragsstaat, dem ein Ersuchen auf vorläufige Festnahme oder auf Festnahme und Überstellung zugegangen ist, ergreift sofort Maßnahmen zur Festnahme der fraglichen Person im Einklang mit seinen Rechtsvorschriften und mit Teil 9.
(2) Der Festgenommene wird umgehend der zuständigen Justizbehörde im Gewahrsamsstaat vorgeführt, die im Einklang mit dem Recht dieses Staates feststellt,
a) daß sich der Haftbefehl auf ihn bezieht, b) daß er entsprechend einem ordnungsgemäßen Verfahren festgenommen wurde und
c) daß seine Rechte geachtet wurden.
(3) Der Festgenommene hat das Recht, bei der zuständigen Behörde im Gewahrsamsstaat die vorläufige Haftentlassung bis zur Überstellung zu beantragen.
(4) Bei der Entscheidung über einen solchen Antrag prüft die zuständige Behörde im Gewahrsamsstaat, ob in Anbetracht der Schwere der mutmaßlichen Verbrechen dringende und außergewöhnliche Umstände vorliegen, die eine vorläufige Haftentlassung rechtfertigen, und ob durch die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen gewährleistet ist, daß der Gewahrsamsstaat seine Pflicht zur Überstellung der Person an den Gerichtshof erfüllen kann. Der zuständigen Behörde des Gewahrsamsstaats steht es nicht frei, zu prüfen, ob der Haftbefehl nach Artikel 58 Absatz 1 Buchstaben a und b ordnungsgemäß ausgestellt wurde.
(5) Die Vorverfahrenskammer wird von jedem Antrag auf vorläufige Haftentlassung in Kenntnis gesetzt und erteilt der zuständigen Behörde im Gewahrsamsstaat Empfehlungen. Diese zieht die Empfehlungen vollständig in Betracht, wie auch etwaige Empfehlungen betreffend Maßnahmen zur Verhütung der Flucht, bevor sie ihre Entscheidung fällt.
(6) Wird der Person vorläufige Haftentlassung gewährt, so kann die Vorverfahrenskammer regelmäßige Berichte über deren Stand verlangen.
(7) Sobald eine Anordnung an den Gewahrsamsstaat ergeht, die Person zu überstellen, ist diese so bald wie möglich an den Gerichtshof zu überstellen.
Artikel 60: Erste Verfahrensschritte vor dem Gerichtshof
(1) Nach Überstellung einer Person an den Gerichtshof oder ihrem freiwilligen oder aufgrund einer Ladung erfolgten Erscheinen vor dem Gerichtshof überzeugt sich die Vorverfahrenskammer davon, daß die Person über die ihr zur Last gelegten Verbrechen sowie über ihre Rechte aufgrund dieses Statuts belehrt worden ist, namentlich über das Recht, ihre vorläufige Haftentlassung bis zum Hauptverfahren zu beantragen.
(2) Eine Person, gegen die ein Haftbefehl ergangen ist, kann ihre vorläufige Haftentlassung bis zum Hauptverfahren beantragen. Liegen nach Überzeugung der Vorverfahrenskammer die in Artikel 58 Absatz 1 genannten Voraussetzungen vor, so bleibt die Person weiterhin in Haft. Andernfalls wird sie mit oder ohne Auflagen auf freien Fuß gesetzt.
(3) Die Vorverfahrenskammer überprüft regelmäßig ihre Entscheidung über die Haftentlassung oder den Haftverbleib der Person; sie kann dies jederzeit auf Antrag des Anklägers oder der Person tun. Nach dieser Überprüfung kann sie ihre Entscheidung über Haftverbleib, Haftentlassung oder Auflagen für die Haftentlassung ändern, wenn sie überzeugt ist, daß veränderte Umstände dies erfordern.
(4) Die Vorverfahrenskammer stellt sicher, daß eine Person nicht wegen unentschuldbarer Verzögerungen seitens des Anklägers unangemessen lange in Untersuchungshaft gehalten wird. Tritt eine solche Verzögerung ein, so erwägt der Gerichtshof die Haftentlassung der Person mit oder ohne Auflagen.
(5) Bei Bedarf kann die Vorverfahrenskammer einen Haftbefehl erlassen, um die Anwesenheit einer auf freien Fuß gesetzten Person sicherzustellen.
Artikel 61: Bestätigung der Anklage vor dem Hauptverfahren
(1) Vorbehaltlich des Absatzes 2 hält die Vorverfahrenskammer innerhalb einer angemessenen Frist nach Überstellung der Person oder ihrem freiwilligen Erscheinen vor dem Gerichtshof eine mündliche Verhandlung ab, um die Anklagepunkte zu bestätigen, auf die der Ankläger das Hauptverfahren zu machen beabsichtigt. Die mündliche Verhandlung findet in Anwesenheit des Anklägers und des Angeschuldigten sowie seines Rechtsbeistands statt.
(2) Die Vorverfahrenskammer kann auf Ersuchen des Anklägers oder von sich aus in Abwesenheit des Angeschuldigten eine mündliche Verhandlung abhalten, um die Anklagepunkte zu bestätigen, die der Ankläger zum Gegenstand des Hauptverfahren zu machen beabsichtigt, wenn der Angeschuldigte
a) auf sein Anwesenheitsrecht verzichtet hat; oder
b) flüchtig oder unauffindbar ist und alle sinnvollen Maßnahmen ergriffen worden sind, um sein Erscheinen vor dem Gerichtshof sicherzustellen und ihn über die Anklagepunkte sowie über die bevorstehende Verhandlung betreffend deren Bestätigung zu belehren.
In diesem Fall wird der Angeschuldigte durch einen Rechtsbeistand vertreten, wenn die Vorverfahrenskammer entscheidet, daß dies im Interesse der Gerechtigkeit liegt.
(3) Innerhalb einer angemessenen Frist vor der mündlichen Verhandlung
a) erhält der Angeschuldigte eine Abschrift des Schriftstücks, aus dem die Anklagepunkte hervorgehen, derentwegen der Ankläger gegen ihn ein Hauptverfahren herbeizuführen beabsichtigt, und
b) wird der Angeschuldigte von den Beweismitteln in Kenntnis gesetzt, auf die sich der Ankläger bei der mündlichen Verhandlung zu stützen beabsichtigt.
Die Vorverfahrenskammer kann die Offenlegung von Informationen für die Zwecke der Verhandlung anordnen.
(4) Vor der mündlichen Verhandlung kann der Ankläger die Ermittlungen fortsetzen, und er kann Anklagepunkte ändern oder zurücknehmen. Der Angeschuldigte wird unter Wahrung einer angemessenen Frist vor der mündlichen Verhandlung von der Änderung oder Zurücknahme von Anklagepunkten in Kenntnis gesetzt. Werden Anklagepunkte zurückgenommen, so teilt der Ankläger der Vorverfahrenskammer die Gründe dafür mit.
(5) Bei der mündlichen Verhandlung belegt der Ankläger jeden Anklagepunkt durch ausreichende Beweise, um den dringenden Verdacht zu begründen, daß der Angeschuldigte das ihm zur Last gelegte Verbrechen begangen hat. Der Ankläger kann sich auf schriftliche oder summarische Beweise stützen und ist nicht gehalten, die Zeugen aufzurufen, deren Aussage bei dem Verfahren erwartet wird.
(6) Bei der Verhandlung kann der Angeschuldigte
a) Einwendungen gegen die Anklagepunkte vorbringen, b) die vom Ankläger beigebrachten Beweismittel anfechten und
c) Beweismittel beibringen.
(7) Die Vorverfahrenskammer stellt auf der Grundlage der mündlichen Verhandlung fest, ob ausreichende Beweise für den dringenden Verdacht vorliegen, daß der Angeschuldigte jedes der ihm zur Last gelegten Verbrechen begangen hat. Auf der Grundlage ihrer Feststellungen
a) bestätigt die Vorverfahrenskammer diejenigen Anklagepunkte, bezüglich derer sie entschieden hat, daß ausreichende Beweise vorliegen, und überstellt den Angeschuldigten an eine Hauptverfahrenskammer, die das Hauptverfahren in den bestätigten Anklagepunkten durchführt;
b) lehnt die Vorverfahrenskammer die Bestätigung derjenigen Anklagepunkte ab, bezüglich derer sie entschieden hat, daß keine ausreichenden Beweise vorliegen;
c) vertagt die Vorverfahrenskammer die mündliche Verhandlung und ersucht den Ankläger zu erwägen,
i) zu einem bestimmten Anklagepunkt weitere Beweismittel beizubringen oder weitere Ermittlungen durchzuführen oder
ii) einen Anklagepunkt zu ändern, weil die beigebrachten Beweismittel den Nachweis für die Begehung eines anderen der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegenden Verbrechens zu erbringen scheinen.
(8) Lehnt die Vorverfahrenskammer die Bestätigung eines Anklagepunkts ab, so schließt dies nicht aus, daß der Ankläger später dessen Bestätigung aufgrund zusätzlicher Beweismittel beantragt.
(9) Nach Bestätigung der Anklagepunkte und vor Beginn der Hauptverhandlung kann der Ankläger mit Genehmigung der Vorverfahrenskammer und nach Benachrichtigung des Angeklagten die Anklagepunkte ändern. Beabsichtigt der Ankläger, weitere Anklagepunkte hinzuzufügen oder bestehende Anklagepunkte durch schwererwiegende zu ersetzen, so muß zu deren Bestätigung eine mündliche Verhandlung nach diesem Artikel stattfinden. Nach Beginn der Hauptverhandlung kann der Ankläger mit Genehmigung der Hauptverfahrenskammer die Anklagepunkte zurücknehmen.
(10) Jeder zuvor ergangene Befehl tritt bezüglich aller Anklagepunkte außer Kraft, die von der Vorverfahrenskammer nicht bestätigt oder vom Ankläger zurückgenommen worden sind.
(11) Nach Bestätigung der Anklagepunkte im Einklang mit diesem Artikel setzt das Präsidium eine Hauptverfahrenskammer ein, die vorbehaltlich des Absatzes 8 und des Artikels 64 Absatz 4 für die Durchführung des anschließenden Verfahrens zuständig ist und jede Aufgabe der Vorverfahrenskammer wahrnehmen kann, die in diesem Verfahren von Belang ist und zur Anwendung kommen kann.
Sofern nichts anderes beschlossen wird, findet das Haupverfahren am Sitz des Gerichtshofs statt.
Artikel 63: Verhandlung in Anwesenheit des Angeklagten
(1) Der Angeklagte hat während der Verhandlung anwesend zu sein.
(2) Stört der vor dem Gerichtshof anwesende Angeklagte wiederholt den Verlauf der Verhandlung, so kann die Hauptverfahrenskammer ihn entfernen lassen und sorgt dann dafür, daß er von außerhalb des Gerichtssaals die Verhandlung verfolgen und seinem Rechtsbeistand Weisungen erteilen kann, bei Bedarf mit Hilfe von Kommunikationstechnologie. Diese Maßnahmen werden nur in Ausnahmefällen, nachdem sich andere vertretbare Alternativen als unzulänglich erwiesen haben, und nur für die unbedingt notwendige Dauer getroffen.
Artikel 64: Aufgaben und Befugnisse der Hauptverfahrenskammer
(1) Die in diesem Artikel aufgeführten Aufgaben und Befugnisse der Hauptverfahrenskammer werden im Einklang mit diesem Statut sowie der Verfahrens- und Beweisordnung wahrgenommen.
(2) Die Hauptverfahrenskammer stellt sicher, daß das Hauptverfahren fair und zügig verläuft und unter voller Beachtung der Rechte des Angeklagten und gebührender Berücksichtigung des Schutzes der Opfer und Zeugen geführt wird.
(3) Eine Hauptverfahrenskammer, der im Einklang mit diesem Statut eine Sache für das Hauptverfahren zugewiesen worden ist,
a) berät sich mit den Parteien und beschließt die Verfahren, die erforderlich sind, um eine faire und zügige Durchführung des Hauptverfahrens zu gewährleisten,
b) bestimmt die im Hauptverfahren zu verwendende Sprache oder Sprachen und
c) sorgt vorbehaltlich anderer einschlägiger Bestimmungen dieses Statuts rechtzeitig vor Beginn der Verhandlung für die Offenlegung zuvor nicht offengelegter Schriftstücke oder Informationen, damit eine hinreichende Vorbereitung auf die Verhandlung möglich ist.
(4) Soweit dies für ihre wirksame und faire Arbeit erforderlich ist, kann die Hauptverfahrenskammer Vorfragen an die Vorverfahrenskammer oder, im Bedarfsfall, an einen anderen verfügbaren Richter in der Vorverfahrensabteilung verweisen.
(5) Nach Benachrichtigung der Parteien kann die Hauptverfahrenskammer gegebenenfalls verfügen, daß Verhandlungen über Anklagen, die gegen mehrere Angeklagte erhoben worden sind, verbunden oder getrennt werden.
(6) In Wahrnehmung ihrer Aufgaben vor der Verhandlung oder im weiteren Verlauf des Hauptverfahrens kann die Hauptverfahrenskammer, soweit erforderlich,
a) alle in Artikel 61 Absatz 11 genannten Aufgaben der Vorverfahrenskammer wahrnehmen;
b) die Anwesenheit und Aussage von Zeugen und die Beibringung von Schriftstücken und anderen Beweismitteln verlangen, soweit notwendig mit Hilfe der Staaten, wie in diesem Statut vorgesehen;
c) für den Schutz vertraulicher Informationen sorgen;
d) die Beibringung von Beweismitteln zusätzlich zu den von den Parteien bereits vor dem Hauptverfahren gesammelten oder während des Hauptverfahrens vorgelegten Beweismitteln anordnen;
e) für den Schutz des Angeklagten, der Zeugen und der Opfer sorgen;
f) alle sonstigen erheblichen Angelegenheiten entscheiden.
(7) Die Verhandlung ist öffentlich. Die Hauptverfahrenskammer kann jedoch feststellen, daß aufgrund besonderer Umstände bestimmte Teile des Verfahrens für die in Artikel 68 genannten Zwecke oder zum Schutz vertraulicher oder schutzwürdiger Informationen, die im Zuge der Beweiserhebung vorgelegt werden, unter Ausschluß der Öffentlichkeit geführt werden müssen.
(8) a) Zu Beginn der Verhandlung läßt die Hauptverfahrenskammer dem Angeklagten die zuvor von der Vorverfahrenskammer bestätigte Anklage vorlesen. Die Hauptverfahrenskammer überzeugt sich davon, daß der Angeklagte die Art der gegen ihn erhobenen Anklage versteht. Sie gibt ihm Gelegenheit, ein Schuldbekenntnis im Einklang mit Artikel 65 abzulegen oder sich für nicht schuldig zu erklären.
b) In der Verhandlung kann der vorsitzende Richter prozeßleitende Verfügungen erlassen, insbesondere auch, um dessen faire und unparteiische Führung sicherzustellen. Vorbehaltlich etwaiger Verfügungen des vorsitzenden Richters können die Parteien im Einklang mit diesem Statut Beweismittel vorlegen.
(9) Die Hauptverfahrenskammer ist unter anderem befugt, auf Antrag einer Partei oder von sich aus
a) über die Zulässigkeit beziehungsweise Erheblichkeit von Beweismitteln zu entscheiden und
b) alle erforderlichen Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Ordnung während der Verhandlung zu treffen.
(10) Die Hauptverfahrenskammer stellt sicher, daß ein vollständiges Verhandlungsprotokoll, welches das Verfahren korrekt wiedergibt, gefertigt und vom Kanzler geführt und aufbewahrt wird.
Artikel 65: Verfahren nach einem Schuldbekenntnis
(1) Legt der Angeklagte ein Schuldbekenntnis nach Artikel 64 Absatz 8 Buchstabe a ab, so stellt die Hauptverfahrenskammer fest, ob
a) der Angeklagte die Art und die Folgen des Schuldbekenntnisses versteht,
b) das Schuldbekenntnis von dem Angeklagten nach hinreichender Beratung mit seinem Verteidiger freiwillig abgelegt wird und
c) das Schuldbekenntnis durch die Tatsachen untermauert wird, die hervorgehen aus
i) den vom Ankläger erhobenen Anklagepunkten und die der Angeklagte zugibt,
ii) allen vom Ankläger vorgelegten Unterlagen, welche die Anklage erhärten und die der Angeklagte anerkennt, und
iii) allen sonstigen Beweismitteln, beispielsweise Zeugenaussagen, die vom Ankläger oder vom Angeklagten beigebracht werden.
(2) Ist die Hauptverfahrenskammer davon überzeugt, daß die in Absatz 1 genannten Umstände nachweislich vorliegen, so erachtet sie den gesamten Tatbestand des Verbrechens, auf das sich das Schuldbekenntnis bezieht, als durch das Schuldbekenntnis und etwaige zusätzlich beigebrachte Beweismittel erwiesen; sie kann den Angeklagten wegen dieses Verbrechens verurteilen.
(3) Ist die Hauptverfahrenskammer nicht davon überzeugt, daß die in Absatz 1 genannten Umstände nachweislich vorliegen, so erachtet sie das Schuldbekenntnis als nicht abgelegt; in diesem Fall ordnet sie die Fortsetzung des Hauptverfahrens nach dem in diesem Statut vorgesehenen üblichen Verfahren an; sie kann die Sache an eine andere Hauptverfahrenskammer verweisen.
(4) Ist die Hauptverfahrenskammer der Auffassung, daß im Interesse der Gerechtigkeit, insbesondere im Interesse der Opfer, eine vollständigere Tatsachendarstellung erforderlich ist, so kann die Hauptverfahrenskammer
a) den Ankläger ersuchen, zusätzliche Beweismittel, so auch Zeugenaussagen, beizubringen oder
b) die Fortsetzung des Hauptverfahrens nach dem in diesem Statut vorgesehenen üblichen Verfahren anordnen; in diesem Fall erachtet sie das Schuldbekenntnis als nicht abgelegt; sie kann die Sache an eine andere Hauptverfahrenskammer verweisen.
(5) Erörterungen zwischen dem Ankläger und der Verteidigung in bezug auf eine Änderung der Anklagepunkte, das Schuldbekenntnis oder die zu verhängende Strafe sind für den Gerichtshof nicht bindend.
Artikel 66: Unschuldsvermutung
(1) Jeder gilt als unschuldig, solange seine Schuld nicht in Übereinstimmung mit dem anwendbaren Recht vor dem Gerichtshof nachgewiesen ist.
(2) Die Beweislast für die Schuld des Angeklagten liegt beim Ankläger.
(3) Für eine Verurteilung des Angeklagten muß der Gerichtshof von der Schuld des Angeklagten so überzeugt sein, daß kein vernünftiger Zweifel besteht.
Artikel 67: Rechte des Angeklagten
(1) Der Angeklagte hat Anspruch darauf, daß über die gegen ihn erhobene Anklage öffentlich nach Maßgabe dieses Statuts und in billiger Weise unparteiisch verhandelt wird; außerdem hat er in gleicher Weise Anspruch auf folgende Mindestgarantien:
a) Er ist unverzüglich und im einzelnen in einer Sprache, die er voll versteht und spricht, über Art, Grund und Inhalt der gegen ihn erhobenen Anklage zu unterrichten,
b) er muß hinreichend Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung seiner Verteidigung und zum freien und vertraulichen Verkehr mit einem Verteidiger seiner Wahl haben,
c) es muß ohne unangemessene Verzögerung ein Urteil gegen ihn ergehen,
d) vorbehaltlich des Artikels 63 Absatz 2 muß er bei der Verhandlung anwesend sein und sich selbst verteidigen dürfen oder durch einen Verteidiger seiner Wahl verteidigen lassen; falls er keinen Verteidiger hat, ist er über das Recht, einen Verteidiger in Anspruch zu nehmen, zu belehren; ihm ist vom Gerichtshof ein Verteidiger beizuordnen, wenn dies im Interesse der Gerechtigkeit erforderlich ist, und zwar unentgeltlich, wenn ihm die Mittel zur Bezahlung eines Verteidigers fehlen,
e) er darf Fragen an die Belastungszeugen stellen oder stellen lassen und das Erscheinen und die Vernehmung der Entlastungszeugen unter den für die Belastungszeugen geltenden Bedingungen erwirken. Er darf auch Gründe, welche die Strafbarkeit ausschließen, geltend machen und sonstige aufgrund dieses Statuts zulässige Beweismittel beibringen,
f) er kann die unentgeltliche Beiziehung eines sachkundigen Dolmetschers und die Übersetzungen verlangen, die erforderlich sind, um dem Gebot der Fairneß Genüge zu tun, wenn Teile des Verfahrens oder dem Gerichtshof vorgelegte Schriftstücke nicht in einer Sprache gehalten sind, die der Angeklagte voll versteht und spricht,
g) er darf nicht gezwungen werden, gegen sich selbst als Zeuge auszusagen oder sich schuldig zu bekennen, und er darf schweigen, ohne daß sein Schweigen bei der Feststellung von Schuld oder Unschuld in Betracht gezogen wird,
h) er kann eine unbeeidigte mündliche oder schriftliche Erklärung zu seiner Verteidigung abgeben, und
i) es darf ihm weder eine Umkehr der Beweislast noch eine Widerlegungspflicht auferlegt werden.
(2) Neben anderen in diesem Statut vorgesehenen Offenlegungen legt der Ankläger, sobald praktisch möglich, der Verteidigung die in seinem Besitz oder seiner Verfügungsgewalt befindlichen Beweismittel offen, die seiner Überzeugung nach die Unschuld des Angeklagten beweisen oder zu beweisen geeignet sind oder dessen Schuld zu mildern, oder welche die Glaubwürdigkeit der von dem Ankläger beigebrachten Beweismittel beeinträchtigen können. Bei Zweifeln hinsichtlich der Anwendung dieses Absatzes entscheidet der Gerichtshof.
Artikel 68: Schutz der Opfer und Zeugen und ihre Teilnahme an dem Verfahren
(1) Der Gerichtshof trifft geeignete Maßnahmen zum Schutz der Sicherheit, des körperlichen und seelischen Wohles, der Würde und der Privatsphäre der Opfer und Zeugen. Dabei zieht der Gerichtshof alle einschlägigen Faktoren in Betracht, namentlich Alter, Geschlecht im Sinne des Artikels 7 Absatz 3 und Gesundheitszustand sowie die Art des Verbrechens, insbesondere, jedoch nicht ausschließlich, soweit es mit sexueller oder geschlechtsspezifischer Gewalt oder Gewalt gegen Kinder zusammenhängt. Der Ankläger trifft diese Maßnahmen insbesondere während der Ermittlungen und der Strafverfolgung solcher Verbrechen. Diese Maßnahmen dürfen die Rechte des Angeklagten sowie die Fairneß und Unparteilichkeit des Verfahrens nicht beeinträchtigen oder damit unvereinbar sein.
(2) Als Ausnahme zum Grundsatz der öffentlichen Verhandlung nach Artikel 67 können die Kammern des Gerichtshofs zum Schutz der Opfer und Zeugen oder des Angeklagten einen Teil des Verfahrens unter Ausschluß der Öffentlichkeit führen oder die Beweisvorlage mittels elektronischer oder sonstiger besonderer Mittel gestatten. Diese Maßnahmen werden insbesondere im Fall eines Opfers sexueller Gewalt oder eines Kindes getroffen, das Opfer oder Zeuge ist, es sei denn, der Gerichtshof ordnet unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Auffassungen der Opfer oder Zeugen, etwas anderes an.
(3) Sind die persönlichen Interessen der Opfer betroffen, so gestattet der Gerichtshof, daß ihre Auffassungen und Anliegen in von ihm für geeignet befundenen Verfahrensabschnitten in einer Weise vorgetragen und behandelt werden, welche die Rechte des Angeklagten sowie die Fairneß und Unparteilichkeit des Verfahrens nicht beeinträchtigt oder damit unvereinbar ist. Diese Auffassungen und Anliegen können im Einklang mit der Verfahrens- und Beweisordnung von den gesetzlichen Vertretern der Opfer vorgetragen werden, wenn der Gerichtshof dies für angebracht hält.
(4) Die Abteilung für Opfer und Zeugen kann den Ankläger und den Gerichtshof im Hinblick auf Schutzmaßnahmen, Sicherheitsvorkehrungen, Beratung und Hilfe nach Artikel 43 Absatz 6 beraten.
(5) Kann die Offenlegung von Beweismitteln oder Informationen aufgrund dieses Statuts zu einer ernsten Gefahr für die Sicherheit eines Zeugen oder seiner Familie führen, so kann der Ankläger diese für die Zwecke jedes vor Eröffnung des Hauptverfahrens geführten Verfahrens zurückhalten und statt dessen eine Zusammenfassung vorlegen. Diese Maßnahmen müssen in einer Weise angewendet werden, welche die Rechte des Angeklagten sowie die Fairneß und Unparteilichkeit des Verfahrens nicht beeinträchtigt oder damit unvereinbar ist.
(6) Ein Staat kann darum ersuchen, daß zum Schutz seiner Bediensteten oder Vertreter sowie vertraulicher oder schutzwürdiger Informationen die notwendigen Maßnahmen getroffen werden.
(1) Vor seiner Aussage verpflichtet sich jeder Zeuge in Übereinstimmung mit der Verfahrens- und Beweisordnung, in seinem Zeugnis die Wahrheit zu sagen.
(2) Ein Zeuge muß für sein Zeugnis in der Verhandlung persönlich erscheinen, vorbehaltlich der in Artikel 68 oder in der Verfahrens- und Beweisordnung vorgesehenen Maßnahmen. Der Gerichtshof kann auch nach Maßgabe dieses Statuts und im Einklang mit der Verfahrens- und Beweisordnung das mit Hilfe der Video- oder Audiotechnik direktübertragene (mündliche) oder aufgezeichnete Zeugnis eines Zeugen sowie die Vorlage von Schriftstücken oder schriftlichen Wortprotokollen gestatten. Diese Maßnahmen dürfen die Rechte des Angeklagten nicht beeinträchtigen oder mit ihnen unvereinbar sein.
(3) Die Parteien können im Einklang mit Artikel 64 die Beweismittel beibringen, die für die Sache erheblich sind. Der Gerichtshof ist befugt, die Beibringung sämtlicher Beweismittel zu verlangen, die er für die Wahrheitsfindung für erforderlich hält.
(4) Der Gerichtshof kann im Einklang mit der Verfahrens- und Beweisordnung über die Erheblichkeit oder Zulässigkeit jedes Beweismittels entscheiden, wobei er unter anderem die Beweiskraft des Beweismittels und alle Nachteile in Betracht zieht, die sich für ein faires Verfahren oder für eine faire Bewertung des Zeugnisses eines Zeugen möglicherweise daraus ergeben.
(5) Der Gerichtshof achtet und wahrt die in der Verfahrens- und Beweisordnung vorgesehenen Rechte in bezug auf Vertraulichkeit.
(6) Der Gerichtshof verlangt nicht den Beweis allgemein bekannter Tatsachen, kann sie jedoch als offenkundig anerkennen.
(7) Durch Verletzung dieses Statuts oder international anerkannter Menschenrechte erlangte Beweismittel sind nicht zulässig, wenn
a) die Verletzung erhebliche Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit entstehen läßt oder
b) ihre Zulassung im Widerspruch zu der Ordnungsmäßigkeit des Verfahrens stehen und dieser schweren Schaden zufügen würde.
(8) Bei der Entscheidung über die Erheblichkeit oder Zulässigkeit der von einem Staat gesammelten Beweismittel entscheidet der Gerichtshof nicht über die Anwendung der Rechtsvorschriften jenes Staates.
Artikel 70: Straftaten gegen die Rechtspflege
(1) Der Gerichtshof hat Gerichtsbarkeit über folgende Straftaten gegen seine Rechtspflege, wenn diese vorsätzlich verübt werden:
a) Falschaussage, wenn nach Artikel 69 Absatz 1 die Verpflichtung bestand, die Wahrheit zu sagen;
b) Vorlage von Beweismitteln, von denen die Partei weiß, daß sie falsch oder gefälscht sind;
c) Beeinflussung eines Zeugen durch Vorteilsgewährung, Behinderung oder Störung des Erscheinens und des Zeugnisses eines Zeugen, Vergeltungsmaßnahmen gegen einen Zeugen wegen seines Zeugnisses oder Vernichtung und Fälschung von Beweismitteln oder Störung der Beweisaufnahme;
d) Behinderung oder Einschüchterung eines Bediensteten des Gerichtshofs oder Beeinflussung desselben durch Vorteilsgewährung mit dem Ziel, ihn zu zwingen oder zu veranlassen, seine Pflichten gar nicht oder nicht vorschriftsmäßig wahrzunehmen;
e) Vergeltungsmaßnahmen gegen einen Bediensteten des Gerichtshofs wegen von ihm oder einem anderen Bediensteten wahrgenommener Pflichten;
f) Forderung oder Annahme einer Bestechung durch einen Bediensteten des Gerichtshofs im Zusammenhang mit seinen Dienstpflichten.
(2) Der Gerichtshof übt seine Gerichtsbarkeit über Straftaten nach diesem Artikel entsprechend den in der Verfahrens- und Beweisordnung vorgesehenen Grundsätzen und Verfahren aus. Die Bedingungen, unter denen dem Gerichtshof internationale Zusammenarbeit im Hinblick auf seine Verfahren nach diesem Artikel gewährt wird, richten sich nach dem innerstaatlichen Recht des ersuchten Staates.
(3) Im Fall einer Verurteilung kann der Gerichtshof auf eine Freiheitsstrafe von höchstens fünf Jahren oder eine Geldstrafe nach Maßgabe der Verfahrens- und Beweisordnung oder auf beides erkennen.
(4) a) Jeder Vertragsstaat dehnt seine Strafgesetze, durch die Straftaten gegen seine eigenen Ermittlungs- oder Gerichtsverfahren unter Strafe gestellt werden, auch auf die in diesem Artikel genannten in ihrem Hoheitsgebiet oder von einem ihrer Staatsangehörigen begangenen Straftaten gegen die Rechtspflege aus.
b) Auf Ersuchen des Gerichtshofs und wann immer er dies für angebracht hält, macht der Vertragsstaat die Sache bei seinen zuständigen Behörden zwecks Strafverfolgung anhängig. Diese Behörden behandeln diese Sachen mit Sorgfalt und stellen ausreichende Mittel zu deren wirksamer Abwicklung bereit.
Artikel 71: Strafmaßnahmen wegen ordnungswidrigen Verhaltens vor Gericht
(1) Der Gerichtshof kann vor ihm anwesende Personen, die sich ordnungswidrig verhalten, so auch durch Störung seines Verfahrens oder vorsätzliche Weigerung, seine Verfügungen zu befolgen, durch Ordnungsmittel wie vorübergehende oder dauernde Entfernung aus dem Gerichtssaal, Geldstrafe oder andere in der Verfahrens- und Beweisordnung vorgesehene Maßnahmen, nicht jedoch durch Freiheitsstrafe, bestrafen.
(2) Die in Absatz 1 enthaltenen Maßnahmen werden nach den in der Verfahrens- und Beweisordnung vorgesehenen Verfahren verhängt.
Artikel 72: Schutz von Informationen betreffend die nationale Sicherheit
(1) Dieser Artikel findet in jedem Fall Anwendung, in dem die Offenlegung von Informationen oder Schriftstücken eines Staates nach dessen Auffassung seine nationalen Sicherheitsinteressen beeinträchtigen würde. Dazu gehören die Fälle, die in den Geltungsbereich des Artikels 56 Absatz 2 und 3, des Artikels 61 Absatz 3, des Artikels 64 Absatz 3, des Artikels 67 Absatz 2, des Artikels 68 Absatz 6, des Artikels 87 Absatz 6 und des Artikels 93 fallen, sowie die Fälle, die in einem sonstigen Verfahrensabschnitt auftreten, in dem eine solche Offenlegung möglicherweise zur Streitfrage wird.
(2) Dieser Artikel findet auch Anwendung, wenn eine Person, die zur Beibringung von Informationen oder Beweismitteln aufgefordert wurde, diese verweigert oder die Angelegenheit an den Staat verwiesen hat mit der Begründung, daß eine Offenlegung die nationalen Sicherheitsinteressen dieses Staates beeinträchtigen würde, und der betreffende Staat bestätigt, daß eine Offenlegung seiner Auffassung nach seine nationalen Sicherheitsinteressen beeinträchtigen würde.
(3) Dieser Artikel läßt die Erfordernisse der Vertraulichkeit nach Artikel 54 Absatz 3 Buchstaben e und f und die Anwendung des Artikels 73 unberührt.
(4) Erfährt ein Staat, daß Informationen oder Schriftstücke dieses Staates in irgendeinem Abschnitt des Verfahrens offengelegt werden oder wahrscheinlich offengelegt werden sollen und ist er der Auffassung, daß die Offenlegung seine nationalen Sicherheitsinteressen beeinträchtigen würde, so hat er das Recht, dem Verfahren beizutreten, um eine Regelung dieser Frage im Einklang mit diesem Artikel herbeizuführen.
(5) Würde nach Auffassung eines Staates die Offenlegung von Informationen die nationalen Sicherheitsinteressen dieses Staates beeinträchtigen, so unternimmt dieser Staat alle angemessenen Schritte, um gemeinsam mit dem Ankläger, der Verteidigung oder der Vorverfahrenskammer beziehungsweise der Hauptverfahrenskammer zu versuchen, die Angelegenheit auf dem Weg der Zusammenarbeit zu regeln. Dabei kann es sich insbesondere um folgende Schritte handeln:
a) Änderung oder Klarstellung des Ersuchens,
b) eine Entscheidung des Gerichtshofs über die Erheblichkeit der verlangten Informationen oder Beweismittel oder eine Entscheidung, ob die Beweismittel, obzwar erheblich, nicht von einer anderen Stelle als dem ersuchten Staat erlangt werden könnten oder wurden,
c) Erlangung der Informationen oder Beweismittel von einer anderen Stelle oder in anderer Form oder
d) Einigung über die Bedingungen, unter denen die verlangte Hilfe gewährt werden könnte, so unter anderem durch die Beibringung von Zusammenfassungen oder redigierten Textfassungen, Beschränkung der Offenlegung, Verfahren unter Ausschluß der Öffentlichkeit oder der Gegenpartei oder sonstige aufgrund des Statuts und der Verfahrens- und Beweisordnung zulässige Schutzmaßnahmen.
(6) Wurden alle angemessenen Schritte unternommen, um die Angelegenheit auf dem Weg der Zusammenarbeit zu regeln, und gibt es nach Auffassung des Staates keine Möglichkeiten oder Voraussetzungen für die Bereitstellung oder Offenlegung seiner Informationen oder Schriftstücke, ohne daß seine nationalen Sicherheitsinteressen beeinträchtigt werden, so teilt er dem Ankläger oder dem Gerichtshof die konkreten Gründe für seine Entscheidung mit, sofern nicht die konkrete Darlegung der Gründe selbst zwangsläufig zu einer Beeinträchtigung der nationalen Sicherheitsinteressen dieses Staates führen würde.
(7) Danach kann der Gerichtshof, sofern er entscheidet, daß die Beweismittel erheblich und für den Nachweis der Schuld oder Unschuld des Angeklagten erforderlich sind, folgende Maßnahmen ergreifen:
a) Wird die Offenlegung der Informationen oder des Schriftstücks aufgrund eines Ersuchens um Zusammenarbeit nach Teil 9 oder unter den in Absatz 2 beschriebenen Umständen verlangt und hat der Staat den in Artikel 93 Absatz 4 genannten Ablehnungsgrund geltend gemacht,
i) so kann der Gerichtshof, bevor er zu einem in Absatz 7 Buchstabe a Ziffer ii genannten Schluß gelangt, um weitere Konsultationen zur Prüfung der Darlegungen des Staates ersuchen; dazu können gegebenenfalls auch Verhandlungen unter Ausschluß der Öffentlichkeit und der Gegenpartei gehören,
ii) so kann der Gerichtshof, wenn er zu dem Schluß gelangt, daß der ersuchte Staat durch Geltendmachung des Ablehnungsgrunds nach Artikel 93 Absatz 4 unter den gegebenen Umständen nicht im Einklang mit seinen Verpflichtungen aus dem Statut handelt, die Angelegenheit unter Angabe der Gründe für seinen Schluß in Übereinstimmung mit Artikel 87 Absatz 7 verweisen, und
iii) so kann der Gerichtshof in der Verhandlung gegen den Angeklagten hinsichtlich des Erwiesenseins oder Nichterwiesenseins einer Tatsache die Schlüsse ziehen, die unter den Umständen angebracht erscheinen,
oder
b) unter allen anderen Umständen
i) die Offenlegung anordnen, oder
ii) soweit er die Offenlegung nicht anordnet, in dem Verfahren gegen den Angeklagten hinsichtlich des Erwiesenseins oder Nichterwiesenseins einer Tatsache die Schlüsse ziehen, die unter den Umständen angebracht erscheinen.
Artikel 73: Informationen oder Schriftstücke von Dritten
Wird ein Vertragsstaat von dem Gerichtshof ersucht, Schriftstücke oder Informationen zur Verfügung zu stellen, die sich in seinem Gewahrsam, in seinem Besitz oder unter seiner Verfügungsgewalt befinden und die ihm von einem Staat, einer zwischenstaatlichen oder internationalen Organisation vertraulich offengelegt worden sind, so bittet er den Urheber um seine Zustimmung zu deren Offenlegung. Ist der Urheber ein Vertragsstaat, so gibt er entweder die Zustimmung zur Offenlegung der Informationen oder Schriftstücke oder verpflichtet sich, vorbehaltlich des Artikels 72 die Frage der Offenlegung mit dem Gerichtshof zu regeln. Ist der Urheber kein Vertragsstaat und verweigert er die Zustimmung zur Offenlegung, so teilt der ersuchte Staat dem Gerichtshof mit, daß er wegen einer gegenüber dem Urheber zuvor eingegangenen Verpflichtung zur Geheimhaltung nicht in der Lage ist, die Schriftstücke oder Informationen zur Verfügung zu stellen.
Artikel 74: Voraussetzungen für das Urteil
(1) Alle Richter der Hauptverfahrenskammer sind in jeder Phase der Verhandlung und während der gesamten Dauer ihrer Beratungen anwesend. Das Präsidium kann fallweise, soweit verfügbar, einen oder mehrere Ersatzrichter bestimmen, die der Verhandlung in jeder Phase beiwohnen und an die Stelle eines Mitglieds der Hauptverfahrenskammer treten, wenn dieses nicht in der Lage ist, weiter anwesend zu sein.
(2) Das Urteil der Hauptverfahrenskammer gründet sich auf ihre Beweiswürdigung und das gesamte Verfahren. Das Urteil darf nicht über die in der Anklage dargestellten Tatsachen und Umstände und etwaige Änderungen der Anklage hinausgehen. Der Gerichtshof darf seinem Urteil lediglich die Beweismittel zugrunde legen, die während der Verhandlung vorgebracht und vor ihm erörtert wurden.
(3) Die Richter bemühen sich, ihr Urteil einstimmig zu fällen; gelingt dies nicht, so ergeht das Urteil durch die Mehrheit der Richter.
(4) Die Beratungen der Hauptverfahrenskammer bleiben geheim.
(5) Das Urteil ergeht schriftlich und enthält eine vollständige und begründete Erklärung mit den Ergebnissen der Beweiswürdigung und den Schlußfolgerungen der Hauptverfahrenskammer. Die Hauptverfahrenskammer erläßt ein Urteil. Besteht keine Einstimmigkeit, so enthält das Urteil der Hauptverfahrenskammer die Auffassungen der Mehrheit und die der Minderheit. Das Urteil oder eine Zusammenfassung des Urteils wird in öffentlicher Sitzung verkündet.
Artikel 75: Wiedergutmachung für die Opfer
(1) Der Gerichtshof legt die Grundsätze für die Wiedergutmachung fest, die an oder in bezug auf die Opfer zu leisten ist, einschließlich Rückerstattung, Entschädigung und Rehabilitation. Auf dieser Grundlage kann der Gerichtshof in seiner Entscheidung entweder auf Antrag oder unter außergewöhnlichen Umständen von sich aus den Umfang und das Ausmaß des Schadens, Verlustes oder Nachteils feststellen, der den Opfern oder in bezug auf die Opfer entstanden ist, wobei er die Grundsätze nennt, aufgrund deren er tätig wird.
(2) Der Gerichtshof kann eine Anordnung unmittelbar gegen den Verurteilten erlassen, in der er die den Opfern oder in bezug auf die Opfer zu leistende angemessene Wiedergutmachung, wie Rückerstattung, Entschädigung und Rehabilitation des vorherigen Standes, im einzelnen festlegt. Gegebenenfalls kann der Gerichtshof anordnen, daß die anerkannte Wiedergutmachung durch den in Artikel 79 vorgesehenen Treuhandfonds erfolgt.
(3) Vor Erlaß einer Anordnung nach diesem Artikel kann der Gerichtshof zu Eingaben seitens oder zugunsten des Verurteilten, der Opfer, anderer interessierter Personen oder interessierter Staaten auffordern, die er berücksichtigt.
(4) In Wahrnehmung seiner Befugnis nach diesem Artikel kann der Gerichtshof, nachdem eine Person wegen eines der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegenden Verbrechens verurteilt worden ist, entscheiden, ob es notwendig ist, Maßnahmen nach Artikel 93 Absatz 1 treffen zu lassen, um eine von ihm nach dem vorliegenden Artikel erlassene Anordnung in Kraft zu setzen.
(5) Ein Vertragsstaat setzt eine nach diesem Artikel ergangene Entscheidung in Kraft, als ob Artikel 109 auf diesen Artikel Anwendung fände.
(6) Dieser Artikel ist nicht so auszulegen, als beeinträchtige er die Rechte der Opfer nach einzelstaatlichem Recht oder nach dem Völkerrecht.
(1) Im Fall einer Verurteilung prüft die Hauptverfahrenskammer die zu verhängende angemessene Strafe und berücksichtigt dabei die während der Verhandlung vorgebrachten Beweismittel und die Anträge, die für die Strafzumessung von Bedeutung sind.
(2) Sofern nicht Artikel 65 Anwendung findet, und vor Abschluß der Verhandlung kann die Hauptverfahrenskammer von sich aus, und auf Antrag des Anklägers oder des Angeklagten muß sie in Übereinstimmung mit der Verfahrens- und Beweisordnung eine weitere mündliche Verhandlung abhalten, um zusätzliche Beweismittel oder Anträge entgegenzunehmen, die für die Strafzumessung von Bedeutung sind.
(3) Findet Absatz 2 Anwendung, so werden Eingaben nach Artikel 75 bei der in Absatz 2 genannten weiteren mündlichen Verhandlung und erforderlichenfalls bei jeder zusätzlichen mündlichen Verhandlung entgegengenommen.
(4) Die Strafe wird in öffentlicher Sitzung und soweit möglich in Anwesenheit des Angeklagten verkündet.
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