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Recht
Völkermord Verhütung International


Römisches Statut des Internationalen Strafgerichtshofs
Teil 1 - 3, Artikel 1 - 33
Deutchland, Schwiez, Österreich, Schweiz, Germany, Austria, Switzerland

Teil 6: Hauptverfahren (62-76)
Teil 7: Strafen
(77-80)
Teil 8: Berufung und Wiederaufnahme
(81-85)
Teil 9: Internationale Zusammenarbeit und Rechtshilfe
(86-102)
Teil 10: Vollstreckung
(103-111)
Teil 11: Versammlung der Vertragsstaaten
(112))
Teil 12: Finanzierung
(113-118)
Teil 13: Schlußbestimmungen
(119-128)

Präambel

Die Vertragsstaaten dieses Statuts -

in dem Bewußtsein, daß alle Völker durch gemeinsame Bande verbunden und ihre Kulturen in einem gemeinsamen Erbe zusammengefügt sind, und besorgt darüber, daß dieses zerbrechliche Mosaik jederzeit zerstört werden kann,

eingedenk dessen, daß in diesem Jahrhundert Millionen von Kindern, Frauen und Männern Opfer unvorstellbarer Greueltaten geworden sind, die das Gewissen der Menschheit zutiefst erschüttern,

in der Erkenntnis, daß solche schweren Verbrechen den Frieden, die Sicherheit und das Wohl der Welt bedrohen,

bekräftigend, daß die schwersten Verbrechen, welche die internationale Gemeinschaft als Ganzes berühren, nicht unbestraft bleiben dürfen und daß ihre wirksame Verfolgung durch Maßnahmen auf einzelstaatlicher Ebene und durch größere internationale Zusammenarbeit gewährleistet werden muß,

entschlossen, der Straflosigkeit der Täter ein Ende zu setzen und so zur Verhütung solcher Verbrechen beizutragen,

im Hinblick darauf, daß es die Pflicht eines jeden Staates ist, seine Strafgerichtsbarkeit über die für internationale Verbrechen Verantwortlichen auszuüben,

in Bekräftigung der Ziele und Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen und insbesondere des Grundsatzes, daß alle Staaten jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt zu unterlassen haben,

in diesem Zusammenhang nachdrücklich darauf hinweisend, daß dieses Statut nicht so auszulegen ist, als ermächtige es einen Vertragsstaat, in einen bewaffneten Konflikt einzugreifen, der in die inneren Angelegenheiten eines Staates fällt,

in dem festen Willen, zu diesem Zweck und um der heutigen und der künftigen Generationen willen, einen mit dem System der Vereinten Nationen in Zusammenhang stehenden unabhängigen ständigen Internationalen Strafgerichtshof zu errichten, der Gerichtsbarkeit über die schwersten Verbrechen hat, welche die internationale Gemeinschaft als Ganzes berühren,

nachdrücklich darauf hinweisend, daß der aufgrund dieses Statuts errichtete Internationale Strafgerichtshof die innerstaatliche Strafgerichtsbarkeit ergänzt,

entschlossen, die dauerhafte Achtung der internationalen Rechtspflege zu gewährleisten-

sind wie folgt übereingekommen:

Teil 1: Errichtung des Gerichtshofs

Artikel 1: Der Gerichtshof

Hiermit wird ein Internationaler Strafgerichtshof ("Gerichtshof") errichtet. Der Gerichtshof ist eine ständige Einrichtung und ist befugt, seine Gerichtsbarkeit über Personen wegen der in diesem Statut genannten schwersten Verbrechen von internationalem Belang auszuüben; er ergänzt die innerstaatliche Strafgerichtsbarkeit. Die Zuständigkeit und die Arbeitsweise des Gerichtshofs werden durch dieses Statut geregelt.

Artikel 2: Beziehung des Gerichtshofs zu den Vereinten Nationen

Der Gerichtshof wird durch ein Abkommen, das von der Versammlung der Vertragsstaaten dieses Statuts zu billigen und danach vom Präsidenten des Gerichtshofs in dessen Namen zu schließen ist, mit den Vereinten Nationen in Beziehung gebracht.

Artikel 3: Sitz des Gerichtshofs

(1) Sitz des Gerichtshofs ist Den Haag (Niederlande) ("Gaststaat").

(2) Der Gerichtshof schließt mit dem Gaststaat ein Sitzabkommen, das von der Versammlung der Vertragsstaaten zu billigen und danach vom Präsidenten des Gerichtshofs in dessen Namen zu schließen ist.

(3) Der Gerichtshof kann, wie in diesem Statut vorgesehen, anderswo tagen, wenn er dies für wünschenswert hält.

Artikel 4: Rechtsstellung und Befugnisse des Gerichtshofs

(1) Der Gerichtshof besitzt Völkerrechtspersönlichkeit. Er besitzt außerdem die Rechts- und Geschäftsfähigkeit, die zur Wahrnehmung seiner Aufgaben und Verwirklichung seiner Ziele erforderlich ist.

(2) Der Gerichtshof kann seine Aufgaben und Befugnisse, wie in diesem Statut vorgesehen, im Hoheitsgebiet eines jeden Vertragsstaats und nach Maßgabe einer Sondervereinbarung im Hoheitsgebiet eines jeden anderen Staates wahrnehmen.

Teil 2: Gerichtsbarkeit, Zulässigkeit und anwendbares Recht

Artikel 5: Der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegende Verbrechen

(1) Die Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs ist auf die schwersten Verbrechen beschränkt, welche die internationale Gemeinschaft als Ganzes berühren. Die Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs erstreckt sich nach Maßgabe dieses Statuts auf folgende Verbrechen:

a) das Verbrechen des Völkermords;

b) Verbrechen gegen die Menschlichkeit;

c) Kriegsverbrechen;

d) das Verbrechen der Aggression.

(2) Der Gerichtshof übt die Gerichtsbarkeit über das Verbrechen der Aggression aus, sobald im Einklang mit den Artikeln121 und 123 eine Bestimmung angenommen worden ist, die dieses Verbrechen definiert und die Bedingungen für die Ausübung dieser Gerichtsbarkeit festlegt. Diese Bestimmung muß mit den einschlägigen Bestimmungen der Charta der Vereinten Nationen vereinbar sein.

Artikel 6: Völkermord

Für die Zwecke dieses Statuts bedeutet "Völkermord" jede der folgenden Handlungen, die in der Absicht begangen wird, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören:

a) Tötung von Mitgliedern der Gruppe;

b) Verursachung von schwerem körperlichem oder seelischem Schaden an Mitgliedern der Gruppe;

c) vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind, ihre körperliche Zerstörung ganz oder teilweise herbeizuführen;

d) Verhängung von Maßnahmen, die auf die Geburtenverhinderung innerhalb der Gruppe gerichtet sind;

e) gewaltsame Überführung von Kindern der Gruppe in eine andere Gruppe.

Artikel 7: Verbrechen gegen die Menschlichkeit

(1) Für die Zwecke dieses Statuts bedeutet "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" jede der folgenden Handlungen, die als Teil eines großangelegten oder systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung in Kenntnis des Angriffs begangen wird:

a) Mord;

b) Ausrottung;

c) Versklavung;

d) Vertreibung oder Zwangsumsiedlung der Bevölkerung;

e) Freiheitsentzug oder sonstige schwere Entziehung der körperlichen Freiheit unter Verstoß gegen die Grundregeln des Völkerrechts;

f) Folter;

g) Vergewaltigung, sexuelle Sklaverei, Zwangsprostitution, erzwungene Schwangerschaft, Zwangssterilisation oder jede andere Form sexueller Gewalt vergleichbarer Schwere;

h) Verfolgung einer identifizierbaren Gruppe oder Gemeinschaft aus politischen, rassischen, nationalen, ethnischen, kulturellen oder religiösen Gründen, Gründen des Geschlechts im Sinne des Absatzes 3 oder aus anderen nach dem Völkerrecht universell als unzulässig anerkannten Gründen im Zusammenhang mit einer in diesem Absatz genannten Handlung oder einem der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegenden Verbrechen;

i) Verschwindenlassen von Personen;

j) das Verbrechen der Apartheid;

k) andere unmenschliche Handlungen ähnlicher Art, mit denen vorsätzlich große Leiden oder eine schwere Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der geistigen oder körperlichen Gesundheit verursacht wird.

(2) Für die Zwecke des Absatzes 1

a) bedeutet "Angriff gegen die Zivilbevölkerung" eine Verhaltensweise, die mit der mehrfachen Begehung der in Absatz 1 genannten Handlungen gegen eine Zivilbevölkerung verbunden ist, in Anwendung der auf die Verübung eines solchen Angriffs gerichteten Politik eines Staates oder einer Organisation oder zur Unterstützung dieser Politik;

b) umfaßt "Ausrottung" die vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen-unter anderem das Vorenthalten des Zugangs zu Nahrungsmitteln und Medikamenten-, mit denen beabsichtigt ist, die Vernichtung eines Teiles einer Bevölkerung herbeizuführen;

c) bedeutet "Versklavung" die Ausübung aller oder einzelner mit dem Eigentumsrecht an einer Person verbundenen Befugnisse und umfaßt die Ausübung dieser Befugnisse im Zuge des Menschenhandels, insbesondere des Handels mit Frauen und Kindern;

d) bedeutet "Vertreibung oder Zwangsumsiedlung der Bevölkerung" die zwangsweise Verbringung der betroffenen Personen durch Ausweisung oder andere Zwangsmaßnahmen ohne völkerrechtlich zulässige Gründe aus dem Gebiet, in dem sie sich rechtmäßig aufhalten;

e) bedeutet "Folter" den Umstand, daß einer im Gewahrsam oder unter der Kontrolle des Beschuldigten befindlichen Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden; Folter umfaßt jedoch nicht Schmerzen oder Leiden, die sich lediglich aus gesetzlich zulässigen Sanktionen ergeben, dazu gehören oder damit verbunden sind;

f) bedeutet "erzwungene Schwangerschaft" die rechtswidrige Freiheitsentziehung einer zwangsweise geschwängerten Frau in der Absicht, die ethnische Zusammensetzung einer Bevölkerung zu beeinflussen oder andere schwere Verstöße gegen das Völkerrecht zu begehen. Diese Begriffsbestimmung ist nicht so auszulegen, als berühre sie innerstaatliche Gesetze im Zusammenhang mit Schwangerschaft;

g) bedeutet "Verfolgung" den völkerrechtswidrigen, vorsätzlichen schweren Entzug von Grundrechten aufgrund der Identität der Gruppe oder der Gemeinschaft;

h) bedeutet "Verbrechen der Apartheid" unmenschliche Handlungen ähnlicher Art wie die in Absatz 1 genannten, die im Zusammenhang mit einem institutionalisierten Regime der systematischen Unterdrückung und Beherrschung einer oder mehrerer rassischer Gruppen durch eine andere rassische Gruppe sowie in der Absicht begangen werden, dieses Regime aufrechtzuerhalten;

i) bedeutet "Verschwindenlassen von Personen" die Festnahme, den Freiheitsentzug oder die Entführung von Personen durch einen Staat oder eine politische Organisation oder mit Ermächtigung, Unterstützung oder Duldung des Staates oder der Organisation, gefolgt von der Weigerung, diese Freiheitsberaubung anzuerkennen oder Auskunft über das Schicksal oder den Verbleib dieser Personen zu erteilen in der Absicht, sie für lange Zeit dem Schutz des Gesetzes zu entziehen.

(3) Für die Zwecke dieses Statuts wird davon ausgegangen, daß der Ausdruck "Geschlecht" sich auf die beiden Geschlechter, Mann und Frau, im gesellschaftlichen Zusammenhang bezieht. Der Ausdruck "Geschlecht" hat keine andere als die vorgenannte Bedeutung.

Artikel 8: Kriegsverbrechen

(1) Der Gerichtshof hat Gerichtsbarkeit in bezug auf Kriegsverbrechen, insbesondere wenn diese als Teil eines Planes oder einer Politik oder als Teil einer Begehung solcher Verbrechen in großem Umfang verübt werden.

(2) Für die Zwecke dieses Statuts bedeutet "Kriegsverbrechen"

a) schwere Verletzungen der Genfer Abkommen vom 12. August 1949, nämlich die folgenden Handlungen gegen die nach den Bestimmungen des jeweiligen Genfer Abkommens geschützten Personen oder Güter:

i) vorsätzliche Tötung;

ii) Folterung oder unmenschliche Behandlung einschließlich biologischer Versuche;

iii) vorsätzliche Verursachung großer Leiden oder schwere Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der Gesundheit;

iv) Zerstörung und Aneignung von Eigentum, die durch militärische Erfordernisse nicht gerechtfertigt sind und in großem Ausmaß rechtswidrig und willkürlich vorgenommen werden;

v) Nötigung eines Kriegsgefangenen oder einer anderen geschützten Person zum Dienst in den Streitkräften einer feindlichen Macht;

vi) vorsätzlicher Entzug des Rechts eines Kriegsgefangenen oder einer anderen geschützten Person auf ein faires und ordentliches Gerichtsverfahren;

vii) rechtswidrige Verschleppung oder Verschickung oder rechtswidrige Gefangenhaltung;

viii) Geiselnahme;

b) andere schwere Verstöße gegen die im internationalen bewaffneten Konflikt innerhalb des feststehenden Rahmens des Völkerrechts anwendbaren Gesetze und Gebräuche, nämlich jede der folgenden Handlungen:

i) vorsätzliche Angriffe auf die Zivilbevölkerung als solche oder auf einzelne Zivilpersonen, die an den Feindseligkeiten nicht unmittelbar teilnehmen;

ii) vorsätzliche Angriffe auf zivile Objekte, das heißt auf Objekte, bei denen es sich nicht um militärische Ziele handelt;

iii) vorsätzliche Angriffe auf Personal, Einrichtungen, Material, Einheiten oder Fahrzeuge, die an einer humanitären Hilfsmission oder friedenserhaltenden Mission im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen beteiligt sind, solange sie Anspruch auf den Schutz haben, der Zivilpersonen oder zivilen Objekten nach dem internationalen Recht des bewaffneten Konflikts gewährt wird;

iv) vorsätzliches Einleiten eines Angriffs in der Kenntnis, daß dieser auch Verluste an Menschenleben, die Verwundung von Zivilpersonen, die Beschädigung ziviler Objekte oder weitreichende, langfristige und schwere Schäden an der natürlichen Umwelt verursachen wird, die eindeutig in keinem Verhältnis zu dem insgesamt erwarteten konkreten und unmittelbaren militärischen Vorteil stehen;

v) der Angriff auf unverteidigte Städte, Dörfer, Wohnstätten oder Gebäude, die keine militärischen Ziele sind, oder deren Beschießung, gleichviel mit welchen Mitteln;

vi) die Tötung oder Verwundung eines die Waffen streckenden oder wehrlosen Kombattanten, der sich auf Gnade oder Ungnade ergeben hat;

vii) der Mißbrauch der Parlamentärflagge, der Flagge oder der militärischen Abzeichen oder der Uniform des Feindes oder der Vereinten Nationen sowie der Schutzzeichen der Genfer Abkommen, wodurch Tod oder schwere Verletzungen verursacht werden;

viii) die unmittelbare oder mittelbare Überführung durch die Besatzungsmacht von Teilen ihrer eigenen Zivilbevölkerung in das von ihr besetzte Gebiet oder die vollständige oder teilweise Verschleppung oder Überführung der Bevölkerung des besetzten Gebiets innerhalb oder außerhalb dieses Gebiets;

ix) vorsätzliche Angriffe auf Gebäude, die dem Gottesdienst, der Erziehung, der Kunst, der Wissenschaft oder der Wohltätigkeit gewidmet sind, auf geschichtliche Denkmäler, Krankenhäuser und Sammelplätze für Kranke und Verwundete, sofern es sich nicht um militärische Ziele handelt;

x) die Verstümmelung von Personen, die sich in der Gewalt einer gegnerischen Partei befinden, oder die Vornahme medizinischer oder wissenschaftlicher Versuche jeder Art an diesen Personen, die nicht durch deren ärztliche, zahnärztliche oder Krankenhausbehandlung gerechtfertigt sind oder in ihrem Interesse durchgeführt werden und zu ihrem Tod führen oder eine ernste Gefahr für ihre Gesundheit darstellen;

xi) die meuchlerische Tötung oder Verwundung von Angehörigen des feindlichen Volkes oder Heeres;

xii) die Erklärung, daß kein Pardon gegeben wird;

xiii) die Zerstörung oder Beschlagnahme feindlichen Eigentums, sofern diese nicht durch die Erfordernisse des Krieges dringend geboten ist;

xiv) die Erklärung, daß Rechte und Forderungen von Angehörigen der Gegenpartei aufgehoben, zeitweilig ausgesetzt oder vor Gericht unzulässig sind;

xv) der Zwang gegen Angehörige der Gegenpartei, an den Kriegsunternehmungen gegen ihr eigenes Land teilzunehmen, selbst wenn sie bereits vor Ausbruch des Krieges im Dienst des Kriegführenden standen;

xvi) Plünderung einer Stadt oder Ansiedlung, selbst wenn sie im Sturm genommen wurde;

xvii) die Verwendung von Gift oder vergifteten Waffen;

xviii) die Verwendung erstickender, giftiger oder gleichartiger Gase sowie aller ähnlichen Flüssigkeiten, Stoffe oder Vorrichtungen;

xix) die Verwendung von Geschossen, die sich im Körper des Menschen leicht ausdehnen oder flachdrücken wie beispielsweise Geschosse mit einem den Kern nicht ganz umschließenden oder mit Einschnitten versehenen harten Mantel;

xx) der Einsatz von Waffen, Geschossen, Stoffen und Methoden der Kriegführung, die ihrer Art nach überflüssige Verletzungen oder unnötige Leiden verursachen oder die unter Verstoß gegen das internationale Recht des bewaffneten Konflikts ihrer Natur nach unterschiedslos wirken; diese Waffen, Geschosse, Stoffe und Methoden der Kriegführung müssen jedoch Gegenstand eines umfassenden Verbots sein und mittels einer Änderung entsprechend den einschlägigen Bestimmungen in den Artikeln 121 und 123 in einer Anlage dieses Statuts enthalten sein;

xxi) die Beeinträchtigung der persönlichen Würde, namentlich eine erniedrigende und entwürdigende Behandlung;

xxii) Vergewaltigung, sexuelle Sklaverei, Zwangsprostitution, erzwungene Schwangerschaft im Sinne des Artikels 7 Absatz 2 Buchstabe f, Zwangssterilisation oder jede andere Form sexueller Gewalt, die ebenfalls eine schwere Verletzung der Genfer Abkommen darstellt;

xxiii) Benutzung der Anwesenheit einer Zivilperson oder einer anderen geschützten Person, um Kampfhandlungen von gewissen Punkten, Gebieten oder Streitkräften fernzuhalten;

xxiv) vorsätzliche Angriffe auf Gebäude, Material, Sanitätseinheiten, Sanitätstransporte und Personal, die im Einklang mit dem Völkerrecht mit den Schutzzeichen der Genfer Abkommen versehen sind;

xxv) die vorsätzliche Aushungerung von Zivilpersonen als Methode der Kriegführung durch die Vorenthaltung von Gegenständen, die für ihr Überleben unverzichtbar sind, namentlich durch die vorsätzliche Behinderung von Hilfslieferungen, wie sie nach den Genfer Abkommen vorgesehen sind;

xxvi) Zwangsverpflichtung oder Einziehung von Kindern unter fünfzehn Jahren in die nationalen Streitkräfte oder ihre Verwendung zur aktiven Teilnahme an Feindseligkeiten;

c) im Fall eines bewaffneten Konflikts, der keinen internationalen Charakter hat, schwere Verstöße gegen den den vier Genfer Abkommen vom 12. August 1949 gemeinsamen Artikel 3, nämlich die Verübung jeder der folgenden Handlungen gegen Personen, die nicht unmittelbar an den Feindseligkeiten teilnehmen, einschließlich der Angehörigen der Streitkräfte, welche die Waffen gestreckt haben, und der Personen, die durch Krankheit, Verwundung, Gefangennahme oder eine andere Ursache kampfunfähig geworden sind:

i) Gewalt gegen das Leben und die Person, namentlich Tötung jeder Art, Verstümmelung, grausame Behandlung und Folter;

ii) Beeinträchtigung der persönlichen Würde, namentlich erniedrigende und entwürdigende Behandlung;

iii) Geiselnahme;

iv) Verurteilungen und Hinrichtungen ohne vorhergehendes Urteil eines ordentlich bestellten Gerichts, das die allgemein als unerläßlich anerkannten Rechtsgarantien bietet;

d) Absatz 2 Buchstabe c findet Anwendung auf bewaffnete Konflikte, die keinen internationalen Charakter haben; er gilt somit nicht für Fälle innerer Unruhen und Spannungen, wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten oder andere ähnliche Handlungen;

e) andere schwere Verstöße gegen die im bewaffneten Konflikt, der keinen internationalen Charakter hat, innerhalb des feststehenden Rahmens des Völkerrechts anwendbaren Gesetze und Gebräuche, nämlich jede der folgenden Handlungen:

i) vorsätzliche Angriffe auf die Zivilbevölkerung als solche oder auf einzelne Zivilpersonen, die an den Feindseligkeiten nicht unmittelbar teilnehmen;

ii) vorsätzliche Angriffe auf Gebäude, Material, Sanitätseinheiten, Sanitätstransporte und Personal, die im Einklang mit dem Völkerrecht mit den Schutzzeichen der Genfer Abkommen versehen sind;

iii) vorsätzliche Angriffe auf Personal, Einrichtungen, Material, Einheiten oder Fahrzeuge, die an einer humanitären Hilfsmission oder friedenserhaltenden Mission im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen beteiligt sind, solange sie Anspruch auf den Schutz haben, der Zivilpersonen oder zivilen Objekten nach dem internationalen Recht des bewaffneten Konflikts gewährt wird;

iv) vorsätzliche Angriffe auf Gebäude, die dem Gottesdienst, der Erziehung, der Kunst, der Wissenschaft oder der Wohltätigkeit gewidmet sind, auf geschichtliche Denkmäler, Krankenhäuser und Sammelplätze für Kranke und Verwundete, sofern es sich nicht um militärische Ziele handelt;

v) Plünderung einer Stadt oder Ansiedlung, selbst wenn sie im Sturm genommen wurde;

vi) Vergewaltigung, sexuelle Sklaverei, Zwangsprostitution, erzwungene Schwangerschaft im Sinne des Artikels 7 Absatz 2 Buchstabe f, Zwangssterilisation und jede andere Form sexueller Gewalt, die ebenfalls einen schweren Verstoß gegen den den vier Genfer Abkommen gemeinsamen Artikel 3 darstellt;

vii) Zwangsverpflichtung oder Einziehung von Kindern unter fünfzehn Jahren in Streitkräfte oder bewaffnete Gruppen oder ihre Verwendung zur aktiven Teilnahme an Feindseligkeiten;

viii) Anordnung der Verlegung der Zivilbevölkerung aus Gründen im Zusammenhang mit dem Konflikt, sofern dies nicht im Hinblick auf die Sicherheit der betreffenden Zivilpersonen oder aus zwingenden militärischen Gründen geboten ist;

ix) die meuchlerische Tötung oder Verwundung eines gegnerischen Kombattanten;

x) die Erklärung, daß kein Pardon gegeben wird;

xi) die Verstümmelung von Personen, die sich in der Gewalt einer anderen Konfliktpartei befinden, oder die Vornahme medizinischer oder wissenschaftlicher Versuche jeder Art an diesen Personen, die nicht durch deren ärztliche, zahnärztliche oder Krankenhausbehandlung gerechtfertigt sind oder in ihrem Interesse durchgeführt werden und zu ihrem Tod führen oder eine ernste Gefahr für ihre Gesundheit darstellen;

xii) die Zerstörung oder Beschlagnahme gegnerischen Eigentums, sofern diese nicht durch die Erfordernisse des Konflikts dringend geboten ist;

f) Absatz 2 Buchstabe e findet Anwendung auf bewaffnete Konflikte, die keinen internationalen Charakter haben; er gilt somit nicht für Fälle innerer Unruhen und Spannungen, wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten oder andere ähnliche Handlungen. Er findet Anwendung auf bewaffnete Konflikte, die im Hoheitsgebiet eines Staates stattfinden, wenn zwischen den staatlichen Behörden und organisierten bewaffneten Gruppen oder zwischen solchen Gruppen ein lang anhaltender bewaffneter Konflikt besteht.

(3) Absatz 2 Buchstaben c und e berührt nicht die Verantwortung einer Regierung, die öffentliche Ordnung im Staat aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen oder die Einheit und territoriale Unversehrtheit des Staates mit allen rechtmäßigen Mitteln zu verteidigen.

Artikel 9: Verbrechenselemente

(1) Die Verbrechenselemente helfen dem Gerichtshof bei der Auslegung und Anwendung der Artikel 6, 7 und 8. Sie werden von den Mitgliedern der Versammlung der Vertragsstaaten mit Zweidrittelmehrheit angenommen.

(2) Änderungen der Verbrechenselemente können vorgeschlagen werden von

a) jedem Vertragsstaat;

b) den Richtern mit absoluter Mehrheit;

c) dem Ankläger.

Diese Änderungen werden von den Mitgliedern der Versammlung der Vertragsstaaten mit Zweidrittelmehrheit angenommen.

(3) Die Verbrechenselemente und ihre Änderungen müssen mit dem Statut vereinbar sein.

Artikel 10 [Auslegungsregel]

Dieser Teil ist nicht so auszulegen, als beschränke oder berühre er bestehende oder sich entwickelnde Regeln des Völkerrechts für andere Zwecke als diejenigen dieses Statuts.

Artikel 11: Gerichtsbarkeit ratione temporis

(1) Die Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs erstreckt sich nur auf Verbrechen, die nach dem Inkrafttreten dieses Statuts begangen werden.

(2) Wird ein Staat nach Inkrafttreten dieses Statuts Vertragspartei desselben, so kann der Gerichtshof seine Gerichtsbarkeit nur in bezug auf Verbrechen ausüben, die begangen wurden, nachdem das Statut für diesen Staat in Kraft getreten ist, es sei denn, der Staat hat eine Erklärung nach Artikel 12 Absatz 3 abgegeben.

Artikel 12: Voraussetzungen für die Ausübung der Gerichtsbarkeit

(1) Ein Staat, der Vertragspartei dieses Statuts wird, erkennt damit die Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs für die in Artikel 5 bezeichneten Verbrechen an.

(2) Im Fall des Artikels 13 Buchstabe a oder c kann der Gerichtshof seine Gerichtsbarkeit ausüben, wenn einer oder mehrere der folgenden Staaten Vertragspartei dieses Statuts sind oder im Einklang mit Absatz 3 die Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs anerkannt haben:

a) der Staat, in dessen Hoheitsgebiet das fragliche Verhalten vorgekommen ist, oder, sofern das Verbrechen an Bord eines Schiffes oder Luftfahrzeugs begangen wurde, der Staat, in dem dieses registriert ist;

b) der Staat, dessen Angehöriger die des Verbrechens beschuldigte Person ist.

(3) Ist nach Absatz 2 die Anerkennung der Gerichtsbarkeit durch einen Staat erforderlich, der nicht Vertragspartei dieses Statuts ist, so kann dieser Staat durch Hinterlegung einer Erklärung beim Kanzler die Ausübung der Gerichtsbarkeit durch den Gerichtshof in bezug auf das fragliche Verbrechen anerkennen. Der anerkennende Staat arbeitet mit dem Gerichtshof ohne Verzögerung oder Ausnahme nach Maßgabe des Teiles 9 zusammen.

Artikel 13: Ausübung der Gerichtsbarkeit

Der Gerichtshof kann im Einklang mit diesem Statut seine Gerichtsbarkeit über ein in Artikel 5 bezeichnetes Verbrechen ausüben, wenn

a) eine Situation, in der es den Anschein hat, daß eines oder mehrere dieser Verbrechen begangen wurden, von einem Vertragsstaat nach Artikel 14 an den Ankläger verwiesen wird,

b) eine Situation, in der es den Anschein hat, daß eines oder mehrere dieser Verbrechen begangen wurden, vom Sicherheitsrat, der nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen tätig wird, an den Ankläger verwiesen wird, oder

c) der Ankläger nach Artikel 15 Ermittlungen in bezug auf eines dieser Verbrechen eingeleitet hat.

Artikel 14: Verweisung einer Situation durch einen Vertragsstaat

(1) Ein Vertragsstaat kann eine Situation, in der es den Anschein hat, daß ein oder mehrere der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegende Verbrechen begangen wurden, an den Ankläger verweisen und diesen ersuchen, die Situation zu untersuchen, um festzustellen, ob eine oder mehrere bestimmte Personen angeklagt werden sollen, diese Verbrechen begangen zu haben.

(2) Soweit möglich, sind in der Verweisung die maßgeblichen Umstände anzugeben und ihr diejenigen Schriftstücke zu ihrer Begründung beizufügen, über die der verweisende Staat verfügt.

Artikel 15: Ankläger

(1) Der Ankläger kann auf der Grundlage von Informationen über der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegende Verbrechen von sich aus Ermittlungen einleiten.

(2) Der Ankläger analysiert die Gewichtigkeit der eingegangenen Informationen. Zu diesem Zweck kann er von Staaten, Organen der Vereinten Nationen, zwischenstaatlichen oder nichtstaatlichen Organisationen oder anderen von ihm als geeignet erachteten zuverlässigen Stellen zusätzliche Auskünfte einholen und am Sitz des Gerichtshofs schriftliche oder mündliche Zeugenaussagen entgegennehmen.

(3) Gelangt der Ankläger zu dem Schluß, daß es eine hinreichende Grundlage für die Aufnahme von Ermittlungen gibt, so reicht er der Vorverfahrenskammer einen Antrag auf Genehmigung von Ermittlungen zusammen mit etwaigen gesammelten Unterlagen zu seiner Begründung ein. Opfer können im Einklang mit der Verfahrens- und Beweisordnung Eingaben an die Vorverfahrenskammer machen.

(4) Ist die Vorverfahrenskammer nach Prüfung des Antrags und der Unterlagen zu seiner Begründung der Auffassung, daß es eine hinreichende Grundlage für die Aufnahme von Ermittlungen gibt und daß die Sache unter die Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs zu fallen scheint, so erteilt sie die Genehmigung zur Einleitung der Ermittlungen, unbeschadet späterer Entscheidungen des Gerichtshofs betreffend die Gerichtsbarkeit für eine Sache und ihre Zulässigkeit.

(5) Verweigert die Vorverfahrenskammer die Genehmigung zur Aufnahme von Ermittlungen, so schließt dies einen auf neue Tatsachen oder Beweise gestützten späteren Antrag des Anklägers in bezug auf dieselbe Situation nicht aus.

(6) Gelangt der Ankläger nach der in den Absätzen 1 und 2 genannten Voruntersuchung zu dem Schluß, daß die vorgelegten Informationen keine hinreichende Grundlage für Ermittlungen darstellen, so teilt er dies den Informanten mit. Dies schließt nicht aus, daß der Ankläger Informationen, die ihm im Licht neuer Tatsachen oder Beweise in bezug auf dieselbe Situation vorgelegt werden, weiter prüft.

Artikel 16: Aufschub der Ermittlungen oder der Strafverfolgung

Richtet der Sicherheitsrat in einer nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen angenommenen Resolution ein entsprechendes Ersuchen an den Gerichtshof, so dürfen für einen Zeitraum von 12 Monaten keine Ermittlungen und keine Strafverfolgung aufgrund dieses Statuts eingeleitet oder fortgeführt werden; der Rat kann sein Ersuchen zu den gleichen Bedingungen wiederholen.

Artikel 17: Fragen der Zulässigkeit

(1) Im Hinblick auf Absatz 10 der Präambel und Artikel 1 entscheidet der Gerichtshof, daß eine Sache nicht zulässig ist, wenn

a) in der Sache von einem Staat, der Gerichtsbarkeit darüber hat, Ermittlungen oder eine Strafverfolgung durchgeführt werden, es sei denn, der Staat ist nicht willens oder unfähig, die Ermittlungen oder die Strafverfolgung ernsthaft durchzuführen;

b) in der Sache von einem Staat, der Gerichtsbarkeit darüber hat, Ermittlungen durchgeführt worden sind, und der Staat entschieden hat, die betreffende Person nicht strafrechtlich zu verfolgen, es sei denn, die Entscheidung war das Ergebnis des mangelnden Willens oder der Unfähigkeit des Staates, eine Strafverfolgung ernsthaft durchzuführen;

c) die betreffende Person wegen des Verhaltens, das Gegenstand des Tatvorwurfs ist, bereits gerichtlich belangt worden ist, und die Sache nach Artikel 20 Absatz 3 nicht beim Gerichtshof anhängig gemacht werden kann;

d) die Sache nicht schwerwiegend genug ist, um eine weitere Befassung des Gerichtshofs zu rechtfertigen.

(2) Zur Feststellung des mangelnden Willens in einem bestimmten Fall prüft der Gerichtshof unter Berücksichtigung der völkerrechtlich anerkannten Grundsätze eines ordnungsgemäßen Verfahrens, ob gegebenenfalls eine oder mehrere der folgenden Voraussetzungen vorliegen:

a) Das Verfahren wurde oder wird geführt oder die staatliche Entscheidung wurde getroffen, um die betreffende Person vor strafrechtlicher Verantwortlichkeit für die in Artikel 5 bezeichneten, der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegenden Verbrechen zu schützen;

b) in dem Verfahren gab es eine nicht gerechtfertigte Verzögerung, die unter den gegebenen Umständen mit der Absicht unvereinbar ist, die betreffende Person vor Gericht zu stellen;

c) das Verfahren war oder ist nicht unabhängig oder unparteiisch und wurde oder wird in einer Weise geführt, die unter den gegebenen Umständen mit der Absicht unvereinbar ist, die betreffende Person vor Gericht zu stellen.

(3) Zur Feststellung der Unfähigkeit in einem bestimmten Fall prüft der Gerichtshof, ob der Staat wegen des völligen oder weitgehenden Zusammenbruchs oder der Nichtverfügbarkeit seines innerstaatlichen Justizsystems unfähig ist, des Beschuldigten habhaft zu werden oder die erforderlichen Beweismittel und Zeugenaussagen zu erlangen, oder aus anderen Gründen unfähig ist, sein Verfahren durchzuführen.

Artikel 18: Vorläufige Entscheidungen betreffend die Zulässigkeit

(1) Wurde eine Situation nach Artikel 13 Buchstabe a an den Gerichtshof verwiesen und hat der Ankläger festgestellt, daß es eine hinreichende Grundlage für die Einleitung von Ermittlungen geben würde, oder leitet der Ankläger Ermittlungen nach Artikel 13 Buchstabe c und Artikel 15 ein, so benachrichtigt der Ankläger alle Vertragsstaaten und diejenigen Staaten, die unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Informationen im Regelfall die Gerichtsbarkeit über die betreffenden Verbrechen ausüben würden. Der Ankläger kann diese Staaten vertraulich benachrichtigen und, sofern er dies zum Schutz von Personen, zur Verhinderung der Vernichtung von Beweismitteln oder zur Verhütung der Flucht als notwendig erachtet, den Umfang der den Staaten bereitgestellten Informationen begrenzen.

(2) Binnen eines Monats nach Eingang dieser Benachrichtigung kann ein Staat den Gerichtshof davon in Kenntnis setzen, daß er gegen seine Staatsangehörigen oder andere Personen unter seiner Hoheitsgewalt in bezug auf Straftaten ermittelt oder ermittelt hat, die möglicherweise den Tatbestand der in Artikel 5 bezeichneten Verbrechen erfüllen und die mit den Informationen in Zusammenhang stehen, welche in der an die Staaten gerichteten Benachrichtigung enthalten sind. Auf Ersuchen des betreffenden Staates stellt der Ankläger die Ermittlungen gegen diese Personen zugunsten der Ermittlungen des Staates zurück, es sei denn, die Vorverfahrenskammer beschließt auf Antrag des Anklägers, die Ermittlungen zu genehmigen.

(3) Die Zurückstellung durch den Ankläger zugunsten der Ermittlungen eines Staates kann von dem Ankläger sechs Monate nach dem Zeitpunkt der Zurückstellung oder jederzeit überprüft werden, wenn aufgrund des mangelnden Willens oder der Unfähigkeit des betreffenden Staates zur ernsthaften Durchführung von Ermittlungen eine wesentliche Veränderung der Sachlage eingetreten ist.

(4) Der betreffende Staat oder der Ankläger kann nach Artikel 82 gegen eine Entscheidung der Vorverfahrenskammer bei der Berufungskammer Beschwerde einlegen. Über die Beschwerde kann beschleunigt verhandelt werden.

(5) Hat der Ankläger nach Absatz 2 Ermittlungen zurückgestellt, so kann er den betreffenden Staat ersuchen, ihn regelmäßig über den Fortgang seiner Ermittlungen und jede anschließende Strafverfolgung zu unterrichten. Die Vertragsstaaten kommen einem solchen Ersuchen ohne unangemessene Verzögerung nach.

(6) Bis zu einer Entscheidung der Vorverfahrenskammer oder, so oft der Ankläger nach diesem Artikel Ermittlungen zurückgestellt hat, kann der Ankläger ausnahmsweise von der Vorverfahrenskammer die Genehmigung zu notwendigen Ermittlungsmaßnahmen zum Zweck der Sicherung von Beweismitteln beantragen, wenn eine einmalige Gelegenheit zur Beschaffung wichtiger Beweismittel oder eine erhebliche Gefahr besteht, daß diese Beweismittel später nicht verfügbar sein werden.

(7) Ein Staat, der eine Entscheidung der Vorverfahrenskammer nach diesem Artikel angefochten hat, kann die Zulässigkeit einer Sache nach Artikel 19 aufgrund zusätzlicher wesentlicher Tatsachen oder einer wesentlichen Veränderung der Sachlage anfechten.

Artikel 19: Anfechtung der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs oder der Zulässigkeit einer Sache

(1) Der Gerichtshof überzeugt sich davon, daß er in jeder bei ihm anhängig gemachten Sache Gerichtsbarkeit hat. Der Gerichtshof kann von sich aus über die Zulässigkeit einer Sache nach Artikel 17 entscheiden.

(2) Die Zulässigkeit einer Sache wegen der in Artikel 17 genannten Gründe beziehungsweise die Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs kann angefochten werden von

a) einem Angeklagten oder einer Person, für die ein Haftbefehl oder eine Ladung nach Artikel 58 ergangen ist,

b) einem Staat, der die Gerichtsbarkeit über eine Sache hat, weil er in der Sache Ermittlungen oder eine Strafverfolgung durchführt oder durchgeführt hat, oder

c) einem Staat, der nach Artikel 12 die Gerichtsbarkeit anerkennen muß.

(3) Der Ankläger kann über eine Frage der Gerichtsbarkeit oder Zulässigkeit eine Entscheidung des Gerichtshofs erwirken. In Verfahren über die Gerichtsbarkeit oder Zulässigkeit können beim Gerichtshof auch diejenigen, welche die Situation nach Artikel 13 an ihn verwiesen haben, sowie die Opfer Stellungnahmen abgeben.

(4) Die Zulässigkeit einer Sache oder die Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs kann von jeder in Absatz 2 bezeichneten Person oder jedem dort bezeichneten Staat nur einmal angefochten werden. Die Anfechtung ist vor oder bei Eröffnung des Verfahrens zu erklären. Unter außergewöhnlichen Umständen kann der Gerichtshof die Erlaubnis erteilen, eine Anfechtung mehr als einmal oder erst nach der Eröffnung des Verfahrens zu erklären. Anfechtungen der Zulässigkeit einer Sache, die bei oder, mit Erlaubnis des Gerichtshofs, nach der Eröffnung eines Verfahrens erklärt werden, können nur auf Artikel 17 Absatz 1 Buchstabe c gestützt werden.

(5) Ein in Absatz 2 Buchstaben b und c bezeichneter Staat erklärt eine Anfechtung bei frühestmöglicher Gelegenheit.

(6) Vor Bestätigung der Anklage werden Anfechtungen der Zulässigkeit einer Sache oder Anfechtungen der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs an die Vorverfahrenskammer verwiesen. Nach Bestätigung der Anklage werden sie an die Hauptverfahrenskammer verwiesen. Gegen Entscheidungen über die Gerichtsbarkeit oder Zulässigkeit kann nach Artikel 82 bei der Berufungskammer Beschwerde eingelegt werden.

(7) Erklärt ein in Absatz 2 Buchstabe b oder c bezeichneter Staat eine Anfechtung, so setzt der Ankläger die Ermittlungen so lange aus, bis der Gerichtshof eine Entscheidung nach Artikel 17 getroffen hat.

(8) Bis zu einer Entscheidung durch den Gerichtshof kann der Ankläger den Gerichtshof um die Ermächtigung ersuchen,

a) notwendige Ermittlungsmaßnahmen der in Artikel 18 Absatz 6 bezeichneten Art zu ergreifen,

b) schriftliche oder mündliche Zeugenaussagen einzuholen oder die Erhebung und Prüfung von Beweismitteln abzuschließen, mit der vor Erklärung der Anfechtung begonnen worden war, und

c) in Zusammenarbeit mit den in Betracht kommenden Staaten die Flucht von Personen zu verhindern, für die er bereits einen Haftbefehl nach Artikel 58 beantragt hat.

(9) Die Erklärung einer Anfechtung beeinträchtigt nicht die Gültigkeit einer zuvor vom Ankläger vorgenommenen Handlung oder einer durch den Gerichtshof ergangenen Anordnung oder eines durch ihn erlassenen Befehls.

(10) Hat der Gerichtshof entschieden, daß eine Sache nach Artikel 17 unzulässig ist, so kann der Ankläger eine Überprüfung der Entscheidung beantragen, wenn seiner vollen Überzeugung nach neue Tatsachen die Grundlage aufheben, auf der die Sache zuvor nach Artikel 17 für unzulässig befunden worden war.

(11) Stellt der Ankläger unter Berücksichtigung der in Artikel 17 genannten Angelegenheiten Ermittlungen zurück, so kann er den betreffenden Staat ersuchen, ihm Informationen über das Verfahren zur Verfügung zu stellen. Auf Ersuchen des betreffenden Staates sind diese Informationen vertraulich. Beschließt der Ankläger danach die Fortführung der Ermittlungen, so benachrichtigt er den Staat, zugunsten dessen Verfahren die Zurückstellung erfolgt war.

Artikel 20: Ne bis in idem

(1) Sofern in diesem Statut nichts anderes bestimmt ist, darf niemand wegen eines Verhaltens vor den Gerichtshof gestellt werden, das den Tatbestand der Verbrechen erfüllt, derentwegen er bereits vom Gerichtshof verurteilt oder freigesprochen wurde.

(2) Niemand darf wegen eines in Artikel 5 bezeichneten Verbrechens, dessentwegen er vom Gerichtshof bereits verurteilt oder freigesprochen wurde, vor ein anderes Gericht gestellt werden.

(3) Niemand, der wegen eines auch nach Artikel 6, 7 oder 8 verbotenen Verhaltens vor ein anderes Gericht gestellt wurde, darf von dem Gerichtshof für dasselbe Verhalten belangt werden, es sei denn, das Verfahren vor dem anderen Gericht

a) diente dem Zweck, ihn vor strafrechtlicher Verantwortlichkeit für der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegende Verbrechen zu schützen oder

b) war in sonstiger Hinsicht nicht unabhängig und unparteiisch entsprechend den völkerrechtlich anerkannten Grundsätzen eines ordnungsgemäßen Verfahrens und wurde in einer Weise geführt, die unter den gegebenen Umständen mit der Absicht, die betreffende Person vor Gericht zu stellen, unvereinbar war.

Artikel 21: Anwendbares Recht

(1) Der Gerichtshof wendet folgendes an:

a) erstens dieses Statut, die Verbrechenselemente sowie seine Verfahrens- und Beweisordnung;

b) zweitens, soweit angebracht, anwendbare Verträge sowie die Grundsätze und Regeln des Völkerrechts, einschließlich der anerkannten Grundsätze des internationalen Rechts des bewaffneten Konflikts;

c) andernfalls allgemeine Rechtsgrundsätze, die der Gerichtshof aus einzelstaatlichen Rechtsvorschriften der Rechtssysteme der Welt abgeleitet hat, einschließlich, soweit angebracht, der innerstaatlichen Rechtsvorschriften der Staaten, die im Regelfall die Gerichtsbarkeit über das Verbrechen ausüben, sofern diese Grundsätze nicht mit diesem Statut und dem Völkerrecht und den international anerkannten Regeln und Normen unvereinbar sind.

(2) Der Gerichtshof kann Rechtsgrundsätze und Rechtsnormen entsprechend seiner Auslegung in früheren Entscheidungen anwenden.

(3) Die Anwendung und Auslegung des Rechts nach diesem Artikel muß mit den international anerkannten Menschenrechten vereinbar sein und darf keine benachteiligende Unterscheidung etwa aufgrund des Geschlechts im Sinne des Artikels 7 Absatz 3, des Alters, der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion oder Weltanschauung, der politischen oder sonstigen Überzeugung, der nationalen, ethnischen oder sozialen Herkunft, des Vermögens, der Geburt oder des sonstigen Standes machen.

Teil 3: Allgemeine Grundsätze des Strafrechts

Artikel 22: Nullum crimen sine lege

(1) Eine Person ist nach diesem Statut nur strafrechtlich verantwortlich, wenn das fragliche Verhalten zur Zeit der Tat den Tatbestand eines der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegenden Verbrechens erfüllt.

(2) Die Begriffsbestimmung eines Verbrechens ist streng auszulegen und darf nicht durch Analogie erweitert werden. Im Zweifelsfall ist die Begriffsbestimmung zugunsten der Person auszulegen, gegen die sich die Ermittlungen, die Strafverfolgung oder das Urteil richten.

(3) Dieser Artikel bedeutet nicht, daß ein Verhalten nicht unabhängig von diesem Statut als nach dem Völkerrecht strafbar bezeichnet werden kann.

Artikel 23: Nulla poena sine lege

Eine vom Gerichtshof für schuldig befundene Person darf nur nach Maßgabe dieses Statuts bestraft werden.

Artikel 24: Rückwirkungsverbot ratione personae

(1) Niemand ist aufgrund dieses Statuts für ein Verhalten strafrechtlich verantwortlich, das vor Inkrafttreten des Statuts stattgefunden hat.

(2) Ändert sich das auf einen bestimmten Fall anwendbare Recht vor dem Ergehen des rechtskräftigen Urteils, so ist das für die Person, gegen die sich die Ermittlungen, die Strafverfolgung oder das Urteil richten, günstigere Recht anzuwenden.

Artikel 25: Individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit

(1) Der Gerichtshof hat aufgrund dieses Statuts Gerichtsbarkeit über natürliche Personen.

(2) Wer ein der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegendes Verbrechen begeht, ist dafür nach Maßgabe dieses Statuts individuell verantwortlich und strafbar.

(3) Nach Maßgabe dieses Statuts ist für ein der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegendes Verbrechen strafrechtlich verantwortlich und strafbar, wer

a) das Verbrechen selbst, gemeinschaftlich mit einem anderen oder durch einen anderen begeht, gleichviel ob der andere strafrechtlich verantwortlich ist;

b) das Verbrechen, das tatsächlich vollendet oder versucht wird, anordnet, dazu auffordert oder dazu anstiftet;

c) zur Erleichterung des Verbrechens Beihilfe oder sonstige Hilfe bei seiner Begehung oder versuchten Begehung leistet, einschließlich der Bereitstellung der Mittel für die Begehung;

d) auf sonstige Weise zur Begehung oder versuchten Begehung des Verbrechens durch eine in gemeinsamer Absicht handelnde Gruppe von Personen beiträgt. Dieser Beitrag muß vorsätzlich sein und entweder

i) mit dem Ziel geleistet werden, das strafbare Handeln oder die strafbare Absicht der Gruppe zu fördern, soweit diese mit der Begehung eines der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegenden Verbrechens verbunden sind, oder

ii) in Kenntnis der Absicht der Gruppe, das Verbrechen zu begehen, geleistet werden;

e) in bezug auf das Verbrechen des Völkermords andere unmittelbar und öffentlich zur Begehung von Völkermord aufstachelt;

f) versucht, ein solches Verbrechen zu begehen, indem er mit einem wesentlichen Schritt zu seiner Ausführung ansetzt, es jedoch aufgrund von Umständen, die unabhängig von seiner Tatabsicht sind, nicht vollendet. Wer jedoch die weitere Ausführung des Verbrechens aufgibt oder dessen Vollendung auf andere Weise verhindert, ist aufgrund dieses Statuts für den Versuch des Verbrechens nicht strafbar, wenn er die strafbare Absicht vollständig und freiwillig aufgegeben hat.

(4) Die Bestimmungen dieses Statuts betreffend die individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit berühren nicht die Verantwortung der Staaten nach dem Völkerrecht.

Artikel 26: Ausschließung der Gerichtsbarkeit über Personen unter achtzehn Jahren

Der Gerichtshof hat keine Gerichtsbarkeit über eine Person, die zum Zeitpunkt der mutmaßlichen Begehung eines Verbrechens noch nicht 18 Jahre alt war.

Artikel 27: Unerheblichkeit der amtlichen Eigenschaft

(1) Dieses Statut gilt gleichermaßen für alle Personen, ohne jeden Unterschied nach amtlicher Eigenschaft. Insbesondere enthebt die amtliche Eigenschaft als Staats- oder Regierungschef, Mitglied einer Regierung oder eines Parlaments, gewählter Vertreter oder Amtsträger einer Regierung eine Person nicht der strafrechtlichen Verantwortlichkeit nach diesem Statut und stellt für sich genommen keinen Strafmilderungsgrund dar.

(2) Immunitäten oder besondere Verfahrensregeln, die nach innerstaatlichem Recht oder nach dem Völkerrecht mit der amtlichen Eigenschaft einer Person verbunden sind, hindern den Gerichtshof nicht an der Ausübung seiner Gerichtsbarkeit über eine solche Person.

Artikel 28: Verantwortlichkeit militärischer Führer und anderer Vorgesetzter

Neben anderen Gründen für die strafrechtliche Verantwortlichkeit aufgrund dieses Statuts für der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegende Verbrechen gilt folgendes:

a) Ein militärischer Befehlshaber oder eine tatsächlich als militärischer Befehlshaber handelnde Person ist strafrechtlich verantwortlich für der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegende Verbrechen, die von Truppen unter seiner oder ihrer tatsächlichen Befehls- beziehungsweise Führungsgewalt und Kontrolle als Folge seines oder ihres Versäumnisses begangen wurden, eine ordnungsgemäße Kontrolle über diese Truppen auszuüben, wenn

i) der betreffende militärische Befehlshaber oder die betreffende Person wußte oder aufgrund der zu der Zeit gegebenen Umstände hätte wissen müssen, daß die Truppen diese Verbrechen begingen oder zu begehen im Begriff waren, und

ii) der betreffende militärische Befehlshaber oder die betreffende Person nicht alle in seiner oder ihrer Macht stehenden erforderlichen und angemessenen Maßnahmen ergriff, um ihre Begehung zu verhindern oder zu unterbinden oder den zuständigen Behörden die Angelegenheit zur Untersuchung und Strafverfolgung vorzulegen.

b) In bezug auf unter Buchstabe a nicht beschriebene Vorgesetzten- und Untergebenenverhältnisse ist ein Vorgesetzter strafrechtlich verantwortlich für der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegende Verbrechen, die von Untergebenen unter seiner tatsächlichen Führungsgewalt und Kontrolle als Folge seines Versäumnisses begangen wurden, eine ordnungsgemäße Kontrolle über diese Untergebenen auszuüben, wenn

i) der Vorgesetzte entweder wußte, daß die Untergebenen solche Verbrechen begingen oder zu begehen im Begriff waren, oder eindeutig darauf hinweisende Informationen bewußt außer acht ließ;

ii) die Verbrechen Tätigkeiten betrafen, die unter die tatsächliche Verantwortung und Kontrolle des Vorgesetzten fielen, und

iii) der Vorgesetzte nicht alle in seiner Macht stehenden erforderlichen und angemessenen Maßnahmen ergriff, um ihre Begehung zu verhindern oder zu unterbinden oder den zuständigen Behörden die Angelegenheit zur Untersuchung und Strafverfolgung vorzulegen.

Artikel 29: Nichtanwendbarkeit von Verjährungsvorschriften

Die der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegenden Verbrechen verjähren nicht.

Artikel 30: Subjektive Unrechtselemente

(1) Sofern nichts anderes bestimmt ist, ist eine Person für ein der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegendes Verbrechen nur dann strafrechtlich verantwortlich und strafbar, wenn die objektiven Tatbestandsmerkmale vorsätzlich und wissentlich verwirklicht werden.

(2) Vorsatz im Sinne dieses Artikels liegt vor, wenn die betreffende Person

a) im Hinblick auf ein Verhalten sich willentlich so verhält;

b) im Hinblick auf die Folgen die Folgen willentlich herbeiführt oder ihr bewußt ist, daß diese im normalen Verlauf der Ereignisse eintreten werden.

(3) "Wissen" im Sinne dieses Artikels bedeutet das Bewußtsein, daß ein Umstand vorliegt oder daß im normalen Verlauf der Ereignisse eine Folge eintreten wird. "Wissen" und "wissentlich" sind entsprechend auszulegen.

Artikel 31: Gründe für den Ausschluß der strafrechtlichen Verantwortlichkeit

(1) Neben anderen in diesem Statut vorgesehenen Gründen für den Ausschluß der strafrechtlichen Verantwortlichkeit ist strafrechtlich nicht verantwortlich, wer zur Zeit des fraglichen Verhaltens

a) wegen einer seelischen Krankheit oder Störung unfähig ist, die Rechtswidrigkeit oder Art seines Verhaltens zu erkennen oder dieses so zu steuern, daß es den gesetzlichen Voraussetzungen entspricht;

b) wegen eines Rauschzustands unfähig ist, die Rechtswidrigkeit oder Art seines Verhaltens zu erkennen oder dieses so zu steuern, daß es den gesetzlichen Voraussetzungen entspricht, sofern er sich nicht freiwillig und unter solchen Umständen berauscht hat, unter denen er wußte oder in Kauf nahm, daß er sich infolge des Rausches wahrscheinlich so verhält, daß der Tatbestand eines der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegenden Verbrechens erfüllt wird;

c) in angemessener Weise handelt, um sich oder einen anderen oder, im Fall von Kriegsverbrechen, für sich oder einen anderen lebensnotwendiges oder für die Ausführung eines militärischen Einsatzes unverzichtbares Eigentum vor einer gegenwärtigen und rechtswidrigen Anwendung von Gewalt in einer Weise zu verteidigen, die in einem angemessenen Verhältnis zu dem Umfang der ihn, den anderen oder das geschützte Eigentum bedrohenden Gefahr steht. Die Teilnahme an einem von Truppen durchgeführten Verteidigungseinsatz stellt für sich genommen keinen Grund für den Ausschluß der strafrechtlichen Verantwortlichkeit nach diesem Buchstaben dar;

d) wegen einer ihn selbst oder einen anderen bedrohenden gegenwärtigen Gefahr für das Leben oder einer dauernden oder gegenwärtigen Gefahr schweren körperlichen Schadens zu einem Verhalten genötigt ist, das mutmaßlich den Tatbestand eines der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegenden Verbrechens erfüllt, und in notwendiger und angemessener Weise handelt, um diese Gefahr abzuwenden, sofern er nicht größeren Schaden zuzufügen beabsichtigt als den, den er abzuwenden trachtet. Eine solche Gefahr kann entweder

i) von anderen Personen ausgehen oder

ii) durch andere Umstände bedingt sein, die von ihm nicht zu vertreten sind.

(2) Der Gerichtshof entscheidet über die Anwendbarkeit der in diesem Statut vorgesehenen Gründe für den Ausschluß der strafrechtlichen Verantwortlichkeit auf die anhängige Sache.

(3) Bei der Verhandlung kann der Gerichtshof einen anderen als die in Absatz 1 genannten Gründe für den Ausschluß der strafrechtlichen Verantwortlichkeit erwägen, sofern er aus dem in Artikel 21 aufgeführten anwendbaren Recht abgeleitet ist. Die entsprechenden Verfahren sind in der Verfahrens- und Beweisordnung festzulegen.

Artikel 32: Tatbestands- oder Verbotsirrtum

(1) Ein Tatbestandsirrtum ist nur dann ein Grund für den Ausschluß der strafrechtlichen Verantwortlichkeit, wenn er die für den Verbrechenstatbestand vorgeschriebenen subjektiven Unrechtselemente aufhebt.

(2) Ein Verbotsirrtum im Hinblick auf die Frage, ob ein bestimmtes Verhalten den Tatbestand eines der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegenden Verbrechens erfüllt, ist kein Grund für den Ausschluß der strafrechtlichen Verantwortlichkeit. Ein Verbotsirrtum kann jedoch ein Grund für den Ausschluß der strafrechtlichen Verantwortlichkeit sein, wenn er die für den Verbrechenstatbestand vorgeschriebenen subjektiven Unrechtselemente aufhebt oder wenn die in Artikel 33 vorgesehenen Umstände vorliegen.

Artikel 33: Höhere Anordnungen und gesetzliche Vorschriften

(1) Die Tatsache, daß ein der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs unterliegendes Verbrechen auf Anordnung einer Regierung oder eines militärischen oder zivilen Vorgesetzten begangen wurde, enthebt den Täter nicht der strafrechtlichen Verantwortlichkeit, es sei denn

a) der Täter war gesetzlich verpflichtet, den Anordnungen der betreffenden Regierung oder des betreffenden Vorgesetzten Folge zu leisten,

b) der Täter wußte nicht, daß die Anordnung rechtswidrig ist, und

c) die Anordnung war nicht offensichtlich rechtswidrig.

(2) Im Sinne dieses Artikels sind Anordnungen zur Begehung von Völkermord oder von Verbrechen gegen die Menschlichkeit offensichtlich rechtswidrig.


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zuletzt aktualisiert 12 April 2000