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Bundesgerichtshof Pressemitteilung Nr. 39 vom 30.04.1999 Bundesgerichtshof fällt Grundsatzurteil zum Völkermord |
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hatte sich erstmals mit der Rechtsfrage zu befassen, ob vorsätzliche Tötungshandlungen, Mißhandlungen und Vertreibungen, die ein Serbe in Bosnien und Herzegowina im Jahre 1992 im Rahmen sog. ethnischer Säuberungen zum Nachteil der Gruppe der bosnischen Muslime begangen hat, den Tatbestand des Völkermords erfüllen und ob diese Taten von deutschen Gerichten abgeurteilt werden dürfen. Dem lag ein Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 26. September 1997 zugrunde, durch das gegen den Angeklagten, einen bosnischen Serben aus der Region Doboj, wegen Völkermordes in elf Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit Mord an insgesamt 30 Menschen, in den anderen acht Fällen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und/oder Freiheitsberaubung, Einzelstrafen von vier Mal lebenslanger Freiheitsstrafe und in den übrigen acht Fällen Freiheitsstrafen von sieben bis neun Jahren verhängt wurden und auf lebenslange Strafe als Gesamtstrafe erkannt wurde. Das Oberlandesgericht hat festgestellt, daß die Schuld des Angeklagten besonders schwer wiegt. Nach den Feststellungen war der Angeklagte Anführer einer paramilitärischen Gruppe, die sich in der Region Doboj in Bosnien-Herzegowina in Abstimmung mit den serbischen Machthabern an Terrorakten gegen die muslimische Bevölkerung beteiligte, um die Politik der "ethnischen Säuberung" zu unterstützen. Neben der Festnahme von Moslems, ihrer Verbringung in Gefangenenlager und ihrer Mißhandlung erschoß er nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts im Juni 1992 gemeinsam mit einer weiteren Person in Grabska 22 Einwohner (unter ihnen Behinderte und ältere Menschen), die sich - verängstigt durch Kampfhandlungen - im Freien versammelt hatten. Drei weitere Moslems mußten die Toten dann zu einem Massengrab tragen. Einige Tage später trieb er mit seinen Leuten 40-50 Männer aus dem Dorf Sevarlije hinaus, ließ sie brutal mißhandeln und sechs von ihnen erschießen. Das siebte Opfer, das nur angeschossen war, starb, als es in einem Stall zusammen mit den sechs Leichen verbrannt wurde. Im September 1992 setzte der Angeklagte einem Gefangenen im Zentralgefängnis von Doboj einen Blecheimer auf den Kopf und schlug derart hart mit einem Holzknüppel auf den Eimer, daß der Geschädigte an den Folgen des Schlages starb. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat die Revision des Angeklagten verworfen, weil das Oberlandesgericht zu Recht von der Zuständigkeit der deutschen Gerichte ausgegangen ist und auch im Ergebnis zutreffend den Tatbestand des § 220a StGB (Völkermord) bejaht hat. Die Anklagebehörde beim Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien hatte zuvor die Übernahme des Verfahrens abgelehnt. Der Bundesgerichtshof hat aus Rechtsgründen statt elf Taten nur eine Tat des Völkermordes in Tateinheit mit Mord, begangen an 30 Menschen, angenommen und ebenfalls auf lebenslange Freiheitsstrafe erkannt. Außerdem hat er - da sich hierdurch der Unrechts- und Schuldgehalt nicht verändert hat - die besondere Schwere der Schuld bejaht. Ferner hat er ausgesprochen, daß Völkermord nach der Völkermordkonvention vom 9. Dezember 1948, der auch die Bundesrepublik Deutschland beigetreten ist, ein von allen Staaten zu verfolgendes Verbrechen ist. Deshalb ist die Entscheidung des deutschen Gesetzgebers, die Verfolgung des Völkermordes dem Weltrechtsprinzip zu unterstellen, aus völkerrechtlichen Gründen jedenfalls dann nicht zu beanstanden, wenn für die Ausübung der deutschen Strafgerichtsbarkeit legitimierende Anknüpfungspunkte gegeben sind. Diese lagen hier vor: Der Angeklagte hatte von Mai 1969 bis Anfang 1992 seinen ständigen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland; er war auch danach noch hier amtlich gemeldet. Seine deutsche Ehefrau und seine Tochter, die er auch nach der Tat mehrfach besuchte, leben nach wie vor in Deutschland. Er ist im Inland verhaftet worden, nachdem er sich freiwillig auf deutschen Boden begeben hatte. Die Zuständigkeit zur Aburteilung des Völkermordes umfaßt auch die Zuständigkeit zur Aburteilung wegen Mordes, soweit der Angeklagte als Ausführungshandlung des Völkermordes vorsätzliche Tötungen begangen hat. Entscheidung vom 30.04.1999 __________________________ |
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zu letzt
aktualisiert
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20 August
1999
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